Große Erwartungen

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Will Chef der ­Kommunistischen Partei Kubas ­bleiben: Raúl Castro wird im April nicht wieder für das Amt des Staatschefs kandidieren

Kuba hat im vergangenen Jahr durch die schweren Verwüstungen des Hurrikans »Irma«, den Konfrontationskurs der US-Regierung, eine seit drei Jahren andauernde Dürreperiode und die neoliberale Gegenoffensive der Rechten in Lateinamerika Rückschläge verkraften müssen. Auch 2018 sollten die Bürger des Landes nicht damit rechnen, »auf Rosen gebettet« zu werden, riet die Zeitung Juventud Rebelde zum Jahreswechsel. Doch für dieses Jahr, in dem sich am 10. Oktober der Beginn des ersten kubanischen Unabhängigkeitskrieges zum 150. Mal jährt, gibt es auch positive Aussichten.

Das innenpolitisch bedeutendste Ereignis ist die Wahl zu den Provinzparlamenten und der Nationalversammlung am 11. März. Sie wurde um zwei Monate verschoben, weil Hurrikan »Irma« die Nominierung der Kandidaten verzögert hatte. Das neue Parlament soll sich nun symbolträchtig am 19. April konstituieren, dem Jahrestag des Sieges über die Invasoren in der Schweinebucht. Dann endet auch die zweite und letzte Amtszeit Raúl Castros an der Spitze von Staat und Regierung. Castro wird allerdings weiterhin den Vorsitz der Kommunistischen Partei Kubas innehaben und damit auf der politischen Bühne präsent bleiben. Dennoch stellt das Ausscheiden der letzten Parlamentarier, die noch in der Rebellenarmee unter Revolutionsführer Fidel Castro für den Sturz des Diktators Fulgencio Batista gekämpft hatten, für das Land eine Herausforderung dar.

Der Generationenwechsel erfolgt in einer Phase wirtschaftlicher Schwierigkeiten. Deren Tiefpunkt scheint überwunden, da die Wirtschaft, nach einem Minus von 0,9 Prozent 2016, im vergangen Jahr um 1,6 Prozent wuchs. Castro bezeichnete das Ergebnis zwar als »nicht befriedigend«, wies aber darauf hin, dass es »in einem verschärften Szenario finanzieller Beschränkungen und unzureichender Verfügbarkeit von Brennstoffen erreicht wurde«. Für dieses Jahr prognostizieren die Ökonomen ein Wachstum von zwei Prozent, »sofern die Entwicklungsdynamik beibehalten wird«. Die Planung setzt auf die derzeitigen »Motoren« der kubanischen Wirtschaft: die Baubranche, den Handel und den Tourismussektor. Risikofaktoren sind die anhaltende Devisenknappheit, weiterhin hohe Ausgaben für Importe, auch von Nahrungsmitteln, sowie steigende Kosten für fossile Brennstoffe durch die rückläufige Unterstützung aus Venezuela. Dennoch bescheinigt auch die dem bundesdeutschen Wirtschaftsministerium zugeordnete »Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing« Kuba »gute Aussichten für 2018« und erwartet einen »begrenzten Aufschwung«.

Mit chinesischer Hilfe

Der Amtsantritt von Donald Trump in den USA wirkte sich auch auf die kubanische Außenpolitik aus und zerstörte die ohnehin nur geringen Hoffnungen auf eine Normalisierung der Beziehungen und auf ein Ende der seit 57 Jahren bestehenden Blockade. Während Washington auch 2018 auf Konfrontationskurs setzt, verstärkt Havanna die Verbindungen zu alten und neuen Partnern. Im vergangenen Jahr war China mit 23 Prozent der Importe zum wichtigsten Handelspartner geworden. Auch in anderen Bereichen wurden Kooperationsabkommen vereinbart. Der Hafen von Santiago de Cuba wird derzeit mit chinesischer Hilfe unter Hochdruck zum zweitgrößten Lösch- und Umschlagplatz der Insel ausgebaut. Ein neuer moderner Containerterminal mit Lagerhäusern und Schienenanbindung ist bereits im Bau. Durch die kurzen Transportwege soll die Versorgung der Bevölkerung im Osten der Insel künftig deutlich verbessert werden.

Auch die strategische Partnerschaft mit Russland nimmt an Bedeutung zu. Im gleichen Maß, wie die US-Regierung die Beziehungen zu Kuba reduziert, setzen russische Unternehmen auf eine Renaissance der ehemals guten Wirtschaftsbeziehungen und planen Milliardenprojekte in Kuba. Bis Ende 2017 erreichte der bilaterale Handel zwischen beiden Ländern bereits rund 400 Millionen US-Dollar. Seitdem die Öllieferungen aus Venezuela zurückgehen, liefert der Ölkonzern Rosneft verstärkt Treibstoff auf die Karibikinsel. Das staatseigene Unternehmen kündigte zudem Pläne zur Modernisierung der Ölraffinerie Cienfuegos an. Das Vorhaben der russischen Eisenbahngesellschaft RZD, das Eisenbahnnetz von mehr als tausend Kilometern zu modernisieren, wurde präzisiert. Das Unternehmen plant zudem den Bau einer Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen Havanna und dem Badeort Varadero. Im November 2017 lieferte die Firma »Sinara« die ersten von 75 Lokomotiven für den Personen- und Gütertransport aus, Russlands größter Lkw-Hersteller Kamaz steigerte die Exporte von Lastwagen auf die Insel und der größte Autohersteller Avtovaz brachte zum Start der neuen Handelsbeziehungen die ersten 320 Pkw vom Typ Lada Vesta nach Kuba.

Brüssel setzt auf Kooperation

Auch der Kuba-Besuch der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini in der ersten Januarwoche eröffnet neue Chancen für beide Seiten. Nachdem die Chefdiplomatin scharfe Kritik an der US-Blockade geübt hatte, hob sie am 4. Januar im Gespräch mit Präsident Raúl Castro den »günstigen Verlauf der Beziehungen zwischen Kuba und der Europäischen Union« hervor und verwies auf mögliche Entwicklungsperspektiven nach dem Inkrafttreten des Abkommens über politischen Dialog und Zusammenarbeit. Aus Anlass des Besuchs wurden Projekte in den Bereichen erneuerbare Energien, nachhaltige Landwirtschaft und Kulturaustausch vereinbart. Zudem wurde ein gemeinsamer EU-Kuba-Rat auf Ministerebene eingerichtet, der erstmals am 28. Februar in Brüssel tagen soll, um weitere konkrete Abkommen zu vereinbaren.

All diese erfolgversprechenden Kooperationen dürften sich eher mittelfristig auswirken. Raúl Castro garantierte jedoch in seiner Rede zum Abschluss der Parlamentssitzung im Dezember, dass die »sozialen Dienste, die allen Kubanern kostenlos zur Verfügung stehen« abgesichert seien. Auch die medizinischen Hilfseinsätze in Krisenregionen des globalen Südens sollen fortgesetzt werden. Erst Mitte Dezember war eine zum internationalistischen »Kontingent Henry Reaves« gehörende Medizinbrigade nach ihrem dreimonatigen Einsatz aus Sierra Leone nach Kuba zurückgekehrt. Derzeit arbeiten über 2.200 kubanische Ärzte in 32 afrikanischen Ländern. Beim Ausbruch von Ebola im Jahr 2014 stellte Kuba als erstes Land und binnen kürzester Zeit mit über 250 Medizinern das größte Kontingent ausländischer Ärzte in den betroffenen Regionen Westafrikas.

Der kubanische Journalist und Philosoph Enrique Ubieta Gómez dokumentierte die Ebola-Einsätze in seinem 2016 erschienenen Buch »Zona Roja. La experiencia cubana del ébola«. Auf der diesjährigen Rosa-Luxemburg-Konferenz an diesem Samstag hält Ubieta einen Vortrag zum Thema »Kubanische Einsätze in Afrika damals und heute und die veränderten Rahmenbedingungen für eine vom Imperialismus unabhängige Entwicklung«.

Volker Hermsdorf



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Veröffentlicht unter Aktuell, Cuba

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