Keine Gerechtigkeit für »Miami Five«

Der 11. Appellationsgerichtshof in Atlanta (USA) hat am heutigen Dienstag die Verteidiger der »Miami Five« und den Vertreter der Anklage vorgeladen. Dabei sollen eventuelle »Unklarheiten« eines Gutachtens beseitigt werden, das drei vom Gericht ausgewählte Richter erarbeitet hatten.
Die Juristen waren am 9. August vergangenen Jahres nach 28-monatigem Studium der Akten einstimmig zu dem Schluss gelangt, dass der Prozess gegen die fünf kubanischen Antiterrorismusagenten, der vom Dezember 2000 bis zum Juni 2001 in Miami stattfand, null und nichtig ist. Er habe gegen geltendes Recht und die Verfassung der USA verstoßen. Die Arbeitsgruppe der UNO-Menschenrechtskommission, die willkürliche Verhaftungen untersucht, hatte schon im Mai 2005 festgestellt: Der Prozess war illegal.
Einwand Nr. 1 unter 14 anderen, der den offensichtlichsten Formfehler darstellt: Am Gerichtsort Miami war eine faire, unparteiische Prozessführung mit einer fairen, unparteiischen Jury für die Fünf ausgeschlossen. Verteidiger Leonard Weinglass sagte damals: »Wie können sie fünf Kubaner in einer Stadt richten, die es nicht erlaubt, dass ein kubanischer Athlet in ihr an Wettkämpfen teilnimmt oder ein kubanischer Maler seine Werke ausstellt oder ein Film gezeigt wird, der auf der Insel gedreht wurde?« Und so hatten die fünf Geheimdienstmitarbeiter, die geplante Terroranschläge gegen Kuba aufdeckten, nie auch nur die geringste Chance, dass für sie die obligatorische Unschuldsvermutung gelten würde. Sie saßen Richtern und einer Jury gegenüber, die darauf sannen, die Verteidigung zu behindern und extreme Strafen zu verhängen.
Seit ihrer Verhaftung im September 1998 wurden die Fünf von den Medien Miamis als Spione denunziert und vorverurteilt. Auch dann noch, als prominente Zeugen der Verteidigung – unter anderem ehemalige Generale der USA-Streitkräfte und Geheimdienstoffiziere – ausgesagt hatten, die Kubaner hätten weder Zugang zu geheimen, die Sicherheit der USA betreffenden Dokumenten gehabt (was Voraussetzung für Spionage gewesen wäre) noch ihn gesucht. Es gab keine »Konspiration, um Morde zu begehen«, auch hatte keiner unmittelbar etwas mit dem Abschuss der beiden kleinen Flugzeuge im Jahr 1996 zu tun, die wochenlang immer wieder kubanischen Luftraum verletzt hatten.
Die Anklageschrift umfasste tausende Seiten, lieferte aber nur einen »Beweis«: Die Kubaner hatten sich beim Justizministerium nicht als Agenten eines ausländischen Geheimdienstes registrieren lassen. Verständlich. Sie hätten nie die Erlaubnis erhalten, ihrer Arbeit nachzugehen, und wenn ja, hätte es wohl keine 24 Stunden gedauert, bis die Objekte ihres Interesses, die in Florida ansässigen antikubanischen Terrororganisationen, auf deren Konto die Ermordung von 3200 Kubanern geht, von Komplizen im FBI ins Bild gesetzt worden wären.
Die Umstände der Verhaftung der kubanischen Aufklärer beseitigten jeden Zweifel: Die Festnahme erfolgte im September 1998 – wenige Wochen nachdem die kubanische Abwehr in der Hoffnung auf professionelle Zusammenarbeit dem FBI Material über den Terroristensumpf in Florida übergeben hatte. Aber der damalige FBI-Chef der Region gehörte zum Freundeskreis der antikubanischen Mafia und kassierte von ihr Schmiergelder. Er und seine Leute nutzten die kubanischen Informationen nicht, um den Terroristen das Handwerk zu legen. Sie fügten sie vielmehr in ein vorliegendes Puzzle ein, das sie schließlich auf die Spur der »Miami Five« brachte.
Einer der Angeklagten, René González, erklärte in seiner Verteidigungsrede: »Fälle wie unsere ließen sich ganz unkompliziert aus der Welt schaffen: Lassen Sie Kuba in Frieden, respektieren Sie die Souveränität des kubanischen Volkes. Die haben dort in Kuba etwas Besseres, Konstruktiveres zu tun, als die Kriminellen zu überwachen, die straffrei und ungeschoren durch Miamis Straßen spazieren«. Die fünf Antiterroristen wurden zu insgesamt vier mal Lebenslänglich plus 75 Jahre verurteilt.
Wie geht es weiter? Nach dem Gutachten vom 9. August hatte die Staatsanwaltschaft zwei Optionen: Entweder die Kubaner freizulassen, denn sie waren ja in einem Prozess ohne Rechtskraft verurteilt worden. Oder das Gutachten anzufechten und einen neuen Prozess anzuvisieren. Heute haben die fünf Verteidiger und der Anklagevertreter in Atlanta je 20 Minuten Zeit, ihre Positionen darzulegen. Das Richterplenum kann Fragen stellen, ehe es irgendwann seine Entscheidung kundtut. Das kann Monate dauern. Gerardo Hernández, René González, Ramón Labañino, Antonio Guerrero und Fernando Goncález müssten ihr achtes Jahr unschuldig in Haft verbringen .



 



Leo Burghardt, Havanna        14.02.06

Veröffentlicht unter Die Fünf

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