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Am Mittwoch (Ortszeit) versuchten Oppositionelle, trotz eines Demonstrations­verbotes zum Sitz des Nationalen Wahlrats im Zentrum von Caracas vorzudringen

Venezuelas Verteidigungsminister Vladimir Padrino López warnte in der vergangenen Woche, dass es politische Kräfte gebe, die das Militär »auf Gebiete ziehen wollen, auf die es nicht gehört«. Angesichts der wiederholten Vorwürfe der Regierung an die Opposition, einen Staatsstreich vorzubereiten, und dem Gegenvorwurf der Regierungsgegner, dass sich Staatschef Nicolás Maduro über Recht und Gesetz hinwegsetzen wolle, betonte Padrino, die Bolivarischen Streitkräfte seien »kein Organ zur Unterhöhlung der Verfassungsordnung oder zur Missachtung demokratischer Institutionen, noch weniger zur Ausführung von Putschen«.Tatsache ist jedoch, dass die im Bündnis MUD (Tisch der demokratischen Einheit) zusammengeschlossene Opposition anstrebt, den Präsidenten zu stürzen. Dabei hoffen die Regierungsgegner auf Rückenwind durch die instabile Lage in dem südamerikanischen Land: Venezuela leidet unter dem Zusammenbruch der Ölpreise, der weltweit höchsten Inflationsrate von 700 Prozent, einer schweren Dürre und dem Mangel an grundlegenden Konsumgütern, einschließlich Nahrungsmitteln und Medikamenten. Vor diesem Hintergrund konnte die Opposition bei den Parlamentswahlen im vergangenen Dezember einen erdrutschartigen Sieg über Maduros Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) erringen. Anschließend provozierte sie mit Stellungnahmen, in denen sie eine Absetzung Maduros innerhalb eines halben Jahres prognostizierte. So erklärte Parlamentspräsident und Oppositionsführer Henry Ramos Allup am 11. Februar: »Wenn jemand geglaubt hat, dass die sechs Monate, die wir uns gegeben haben, zu überstürzt waren, so zweifelt heute niemand mehr daran, dass diese sechs Monate zu lang waren.«

Maduro verteidigt sich mit der Verhängung des ökonomischen Ausnahmezustands, den er am 13. Mai um weitere 60 Tage verlängerte. Diese Maßnahme diene dazu, »die Sicherheit der Nation gegen fremde und innere Bedrohungen zu schützen, wichtige Wirtschafts- und Sicherheitsfragen anzugehen und wichtige Grundfragen von Produktion, Verteilung, Handel und Preisregulierung zu regeln«, erklärte er dazu. Die Regierungsgegner ihrerseits sammeln Unterschriften für die Durchsetzung eines Referendums zur Amtsenthebung Maduros und werfen der zuständigen Behörde, dem Nationalen Wahlrat (CNE), vor, ein solches bewusst zu verzögern. Dem entgegnete Vizepräsident Aristóbulo Istúriz, dass das Referendum nur innerhalb der Bestimmungen der Verfassung und der entsprechenden Gesetze zustande kommen werde.

Darauf will sich jedoch offenbar nur ein Teil der Opposition einlassen. Radikale Kräfte plädieren für eine Neuauflage der gewaltsamen Protestaktionen, die vor zwei Jahren 43 Menschenleben gefordert hatten. Zugleich spitzte Kolumbiens Expräsident Álvaro Uribe – den sein Amtsnachfolger Juan Manuel Santos beschuldigt, Anführer der paramilitärischen Todesschwadronen zu sein – am vergangenen Freitag in Miami die Lage zu, indem er eine bewaffnete Intervention in Venezuela verlangte. Bekannt ist, dass das Pentagon bereits Spezialeinheiten auf seiner Militärbasis Soto Cano (Palmerola) in Honduras konzentriert hat, um gegebenenfalls in Venezuela zu intervenieren. Das geht aus einem Dokument »Operation Venezuela Freedom-2« hervor, dass der Kommandeur des Southern Command der US-Armee, Admiral Kurt Tidd, im Februar verfasste.

In dem Papier schreibt Tidd, »unsere angemessene Intervention« habe bereits den Weg »für ein schnelles Abtreten des Regimes« geebnet. »Wenn sich auch der friedliche, legale und durch Wahlen beschrittene Weg abzeichnet, hat die Überzeugung zugenommen, dass es notwendig ist, durch Demonstrationen auf der Straße Druck auszuüben und zu versuchen, wichtige Militärkontingente zu binden und zu paralysieren, die dazu eingesetzt werden würden, die innere Ordnung und die Sicherheit der Regierung zu gewährleisten«. Für eine zweite Phase wird offen von »unserer Intervention in Venezuela« gesprochen, durch die »ein abruptes Szenarium geschaffen wird, das Straßenaktionen mit dem begrenzten Einsatz bewaffneter Gewalt kombiniert«.

Wie Präsident Maduro bei einer internationalen Pressekonferenz am Dienstag berichtete, wurde allein im Mai zweimal das Eindringen von US-Spionageflugzeugen in den venezolanischen Luftraum registriert.

 Carolus Wimmer, Caracas

Unser Autor ist internationaler Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Venezuelas

Hintergrund: Kampagne gegen Maduro

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro (Foto) beklagt immer wieder eine internationale Medienkampagne gegen seine Regierung. Von der Hand zu weisen sind solche Vorwürfe nicht. Auch wenn die Lage in dem südamerikanischen Land derzeit nicht dazu einlädt, Jubelberichte zu veröffentlichen, und eine oft hilflos agierende Administration sowie eine ungeschickte Öffentlichkeitsarbeit des venezolanischen Staates das ihrige zu einer negativen Berichterstattung beiträgt: Was die meisten internationalen Medien über Venezuela verbreiten, ist nichts anderes als Hass auf eine Regierung, die sich auch inmitten einer schweren Krise weigert, Sozialprogramme einzuschränken oder die Armen zur Kasse zu bitten. So verbreitete die Deutsche Presseagentur (dpa) in der Nacht zum Donnerstag eine lange Korrespondenz: »Venezuela, einst prosperierend durch die hohen Öleinnahmen, steht kurz vor dem Ruin. Trotzdem hält Maduro an üppigen Sozialprogrammen fest.« Der Termin des von der Opposition angestrebten Referendums für eine Absetzung des Staatschefs wird von dpa als »D-Day« bezeichnet – und so mit der alliierten Invasion in der Normandie gegen die Nazi-Besatzung verglichen.

Die Sächsische Zeitung freute sich am Donnerstag über das von ihr diagnostizierte »Scheitern der Idee vom ›Sozialismus im XXI. Jahrhundert‹« und kommentierte: »Auf Dauer kann es nicht gutgehen, Geld nur für soziale Wohltaten auszugeben und gleichzeitig die Wirtschaft sträflich zu vernachlässigen.« Die Londoner Financial Times nannte Maduros Kabinett am Donnerstag ein »Skorpionennest«, das »von Korruption und Spezialinteressen« durchsetzt sei.

Die Kampagne spiegelt sich auch in der Fotoauswahl wider, die von den großen Nachrichtenagenturen aus Venezuela verbreitet wird. Obwohl nach Angaben von AFP nur rund 1.000 Menschen am Mittwoch in Caracas gegen die Regierung auf die Straße gingen, bot Reuters 37 Fotos von diesen Protesten an, aber nur drei von Aktionen des linken Lagers. Die dpa sendete sogar 46 Bilder der Kundgebung gegen Maduro und kein einziges Foto von den Regierungsaktivitäten – und plante auch nicht, das nachzuholen, wie die Agentur auf jW-Nachfrage mitteilte.

(scha)