Stillschweigend einverstanden

Die Vereinten Nationen haben die US-Blockade gegen Kuba fast geschlossen verurteilt. 183 der 192 Mitgliedsstaaten sprachen sich am Mittwoch nachmittag (Ortszeit) gegen die umfassenden Sanktionen Washingtons aus, unter denen der sozialistische Inselstaat seit 1961 zu leiden hat. Nicaragua, El Salvador, die Elfenbeinküste und Irak nahmen an der Abstimmung nicht teil; die USA, Israel, die Marschallinseln und Palau stimmten gegen den kubanischen Antrag. Mikronesien enthielt sich.

Havannas stellvertretender Außenminister Abelardo Moreno erklärte in der kubanischen Fernsehsendung »Mesa Redonda« (Runder Tisch), die US-Vertreter hätten »seit Wochen« versucht, die Abstimmung in ihrem Sinne zu beeinflussen, um die Unterstützung für den kubanischen Antrag zu verringern. Trotzdem stimmten mehr Staaten denn je gegen die Blockade: Im vergangenen Jahr sprachen sich 182 UN-Mitglieder für Kubas Antrag aus. Ein Änderungsantrag der australischen Delegation wurde hingegen abgelehnt. Die UN-Diplomaten aus Canberra wollten die Verurteilung der Blockade mit einem kritischen Urteil über die Menschenrechtslage in Kuba verbinden.

Der kubanische Botschafter in Deutschland, Gerardo Peñalver, hatte vor der Abstimmung im Gespräch mit der jW auf die ständige Verschärfung der Blockadebestimmungen verwiesen. Sie bedrohten in zunehmendem Maße auch ausländische Unternehmen. So sei von der Bush-Regierung eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe mit dem Ziel gegründet worden, Sanktionen gegen ausländische Unternehmen zu prüfen, die sich in der kubanischen Nickelindustrie engagieren. »Das ist ein klares Signal auch gegen europäische Staaten«, sagte Peñalver, der sich eine deutlichere Haltung der Bundesregierung gegen die Blockade wünscht. Das müßte auch im Interesse Berlins liegen: Im Jahresbericht der kubanischen Regierung zu den Schäden der US-Blockade werden als Leidtragende auch deutsche Unternehmen aufgeführt, sofern sie in den USA vertreten sind. So habe die Deutsche Bank Trust Company Americas, ein in den USA ansässiges Tochterunternehmen des größten deutschen Kreditinstitutes, Geschäfte mit Kuba ablehnen müssen.

Wegen solcher negativer Konsequenzen hatten die auch Drittstaaten betreffenden Bestimmungen in der Vergangenheit wiederholt für erheblichen Ärger zwischen der EU und Washington gesorgt. In einer »gemeinsamen Erklärung« bezeichnete der EU-Ministerrat die durch das Helms-Burton-Gesetz verschärfte US-Blockade Ende November 1996 sogar als illegal: »Diese Gesetze verletzen das Völkerrecht«, hieß es in dem Papier. Weil die Bedrohung der EU-Unternehmen mit US-Sanktionen nach dem Protest Brüssels seither ausgesetzt ist, sieht man auch in Berlin keinen weiteren Handlungsbedarf: »Wir lehnen die Drittstaatenregelung grundsätzlich ab«, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Donnerstag gegenüber junge Welt.

Doch ausgesetzt wurden die entsprechenden Abschnitte der Gesetze Mitte der 90er Jahre nur unter der Voraussetzung, »daß Europa seine Anstrengungen zur Demokratisierung in Kuba verstärkt«. Das erklärte der US-Beauftragte Stuart Eizenstat 1996 nach Verhandlungen mit dem EU-Botschafter in Washington. Im Umkehrschluß bedeutet das: Würde die EU vom stillschweigenden Einverständnis mit dem aggressiven Kuba-Kurs Washingtons abrücken, könnten die Sanktionen jederzeit wieder in Kraft treten. Doch danach sieht es trotz des symbolischen Votums der EU-Staaten gegen die Blockade am Mittwoch nicht aus. Die Sprecherin des Außenministeriums verwies gegenüber jW ausdrücklich auf eine begleitende »Stimmabgabeerklärung« der EU-Staaten hin. Darin sei die Menschenrechtslage in Kuba kritisiert worden. Und damit können die USA wiederum die Blockade begründen.

Harald Neuber
junge Welt

Veröffentlicht unter Blockade

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