ANTIIMPERIALISMUS: Erwartungen übertroffen

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Mit mehr als 1.200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 95 Ländern übertraf die am gestrigen Sonntag in Havanna beendete dreitägige Konferenz »für Solidarität, Demokratie und gegen den Neoliberalismus« alle Erwartungen der Veranstalter. »Wir sind zu diesem Treffen im Rahmen des 500. Jahrestages der Gründung von Havanna zusammengekommen, um uns zu einer breiten Kraft der Solidarität mit Kuba zu vereinen«, hatte der Präsident des Kubanischen Instituts für Völkerfreundschaft (ICAP), Fernando González, am Freitag zur Eröffnung erklärt. Neben Vorschlägen für koordinierte Aktivitäten einer weltweiten Kampagne gegen die US-Blockade standen die Forderungen nach Freilassung des inhaftierten brasilianischen Expräsidenten Inácio Lula da Silva, zur Unterstützung Venezuelas und Nicaraguas, des Kampfes der chilenischen Linken und der Unabhängigkeit Puerto Ricos im Mittelpunkt der Diskussionen.

»Man spürt in diesem Saal die enorme Kraft der Kämpfe unserer Völker«, sagte der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez am Eröffnungstag. Rodríguez führte aus, dass die Regierung Donald Trumps die größte Bedrohung für Demokratie, Freiheit und Frieden auf dem Planeten sei. Er halte es für möglich, dass der beginnende Wahlkampf in den USA dazu führe, dass sich die Konfrontation mit Kuba weiter verschärfe. »Es kommen schwierige Zeiten auf uns zu, und den USA entgegenzutreten, wird entscheidend sein.« Dabei seien Medien und Kommunikationsnetzwerke heute wichtigste Schlachtfelder.

In einer späteren Diskussionsrunde nahm der argentinische Politologe und Schriftsteller Atilio Borón den Faden wieder auf. Heute verfolge der Imperialismus in erster Linie nicht mehr die Strategie der Staatsstreiche und Militärdiktaturen, sondern setze zunehmend auf die juristische Verfolgung progressiver Bewegungen und Politiker. Das sei derzeit vor allem in Kolumbien, Brasilien, Argentinien und Ecuador zu beobachten. Wann immer ein Land eine fortschrittliche Richtung einschlage, reagiere die Rechte mit ihrem Instrumentarium aus Sanktionen und medialer Dämonisierung. »Die großen Medien sind in den Händen der Rechten und werden von der US-Ideologie dominiert«, sagte Borón. »Wir leben in Zeiten der Mediendiktatur.« Deshalb seien Kampagnen gegen linke Projekte oft erfolgreich, »obwohl die Neoliberalen es sind, die immer mehr Menschen Arbeit, Wohnung, Wasser, Nahrung und ihre Würde nehmen«. Die Linke verfüge zwar über einige alternative Medien, die aber meist unkoordiniert und nicht vernetzt arbeiteten, monierte Borón. »Wir haben nur wenige Waffen, aber wenn wir uns gut organisieren und koordinieren, wie die von Fidel geführte Guerilla, können wir trotzdem etwas erreichen.«

Um kulturelle Identität und Medienarbeit der linken Bewegungen ging es am Sonnabend auch in einer von Kubas ehemaligem Kulturminister Abel Prieto geleiteten Arbeitsgruppe. Über die Notwendigkeit einer innovativen, koordinierten und besser vernetzten alternativen Medienarbeit diskutierten dort unter anderem die Journalisten und Schriftsteller Ignacio Ramonet (Fidel-Castro-Biograph), Stella Calloni (Argentinien), Miguel Barnet (Vorsitzender des kubanischen Schriftsteller- und Künstlerverbandes UNEAC), José Manzaneda (Cubainformación) und andere. Ramonet verurteilte unter großem Applaus die Auslieferung des Wikileaks-Gründers Julian Assange an die britische Justiz durch Ecuadors Präsidenten Lenín Moreno. »Unter Rafael Correa wäre so etwas nie passiert«, kommentierte der Journalist.

Am Rande der Konferenz gab es häufig bewegende Szenen. So etwa als Gail Walker, die Leiterin der US-Bürgerbewegung »Pastors for Peace«, eine Gruppe junger US-Amerikaner begrüßte, die in Havanna Medizin studieren und damit, so Walker, Teil von Kubas »Weißer Armee« geworden sind. »Wir danken Kuba für diese Möglichkeit und die humanitären Einsätze in vielen Ländern der Welt«, erklärte die Bürgerrechtlerin. Zum Höhepunkt wurde die Übergabe von 2.061.565 Unterschriften aus allen Provinzen des Landes zugunsten der Kampagne »Freiheit für Lula« durch Ulises Guilarte, den Generalsekretär des kubanischen Gewerkschaftsdachverbandes CTC, an die brasilianische Delegation. Es sei kaum zu glauben, dass in nur 13 Tagen ein so großer Teil der Bevölkerung diese Forderung unterzeichnet habe, dankte Gleisi Hoffmann, die Vorsitzende der brasilianischen Arbeiterpartei PT. Kuba hat gut elf Millionen Einwohner.

Volker Hermsdorf, Havanna

Granma



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