Auftaktveranstaltung Unblock-Cuba 2022

Der per Video ausgestrahlte Beitrag von Dr. Martin Herrmann, Co-Vorsitzender medicuba-suisse:

Vor genau 2 Jahren hat Kuba, wie viele andere Länder auch, die Grenzen geschlossen, Schulen und Universitäten ebenfalls, zudem den öffentlichen Verkehr unterbrochen und der Bevölkerung empfohlen, Kontakte zu vermeiden. Kuba hatte zu dem Zeitpunkt einige wenige Fälle von Covid diagnostiziert, war sich aber aufgrund früherer Epidemien der möglichen Sprengkraft der Pandemie bewusst.

Innerhalb einiger Tage fielen damit ein beträchtlicher Teil der Einkünfte weg: insbesondere der Tourismus und die Geldüberweisungen aus dem Ausland. Die USA hatten solche über Western Union und anderen Instituten verunmöglicht und seither blieb den Personen nur das Reisen zum Mitbringen von Geld.

Aber getreu der sozialistischen Prinzipien blieb das Recht auf Gesundheit für die Regierung Priorität: Es wurden landesweit Isolations-Zentren eingerichtet, um die Verbreitung der Infektion zu vermindern. Innert kürzester Zeit wurden in den Provinzen durch das nationale Tropen- und Infektionsinstitut IPK Diagnostik-Zentren eingerichtet. Freiwillige, vor allem Studenten, gingen von Haus zu Haus zur Erfassung des Gesundheitszustandes der Menschen, zum Aufspüren allfälliger Krankheitsherde, aber auch zur materiellen Unterstützung jener Menschen, die sie brauchten. Rundfunk und Fernsehen brachten täglich – und bringen auch heute noch – Informationen zur Pandemie, Anleitungen zum Verhalten und erklärte Statistiken zum Verlauf. Ganz allgemein wurden alle Mittel in die Bekämpfung der Pandemie umgeleitet. Das bedeutet auch eine weitgehende Unterbrechung vieler Behandlungen, elektive Operationen vor allem, aber zum Teil auch onkologische.

Dank der beschriebenen Massnahmen ist Kuba 2020 in Bezug auf Covid recht gut weggekommen, mit relativ wenig Erkrankungen und Todesfällen. Und konnte gar Fachkräfte mobilisieren, um gebeutelten Gesundheitszentren in Europa beizustehen. Wir haben so kubanische Brigaden unter Anderem in Italien, Andorra, in den französichen Überseegebieten gesehen.

Ende 2020 musste Kuba die Grenzen aus ökonomischem Zwang teilweise wieder öffnen. Damit kamen gleich auch neue Infektionsherde ins Land, durch Familien-Zusammenschlüssen und auch – trotz Isoliermassnahmen – durch Touristen. Die Infektionsrate stieg rasant, erreichte im Sommer 21 einen für Kuba katastrophalen Höchststand, brachte das Gesundheitssystem beinahe zum Kollaps. Hier mittendrin blieb zusätzlich die nationale Sauerstoff-Produktion wegen eine Panne der entsprechenden Fabrik aus. Gleichzeitig ergab sich auch ein dramatischer Medikamenten-Mangel, sowohl der importierten, als auch der etwa 60% im Land produzierten, auf Grund des Mangels an Rohstoffen. Landesweit mangelt es auch jetzt noch an Verbrauchsmaterial und Geräten.

Gleich zu Beginn der Pandemie hatten Regierung und Wissenschaftler erkannt, dass Kuba infolge der Blockade noch weniger auf die sogenannte internationale Gemeinschaft zählen können werde. Dank einer langjährigen Tradition in der Impfstoffherstellung und einer wenig kostenintensiven Technologie schaffte es Kuba, innerhalb weniger als einem Jahr gleich 5 Impfstoffe zu entwickeln, von denen die Arzneimittelbehörde im Mai 2021 drei zur notfallmässigen Anwendung freigegeben hat. In dessen Folge wurde eine massive Impfung der Bevölkerung geplant. Die allerdings ebenfalls durch die Blockade grob behindert wurde: es war dem Land nicht möglich, die dazu notwendigen Spritzen und Nadeln direkt zu beschaffen. Nur einer grossen solidarischen Aktion des Netzwerkes mediCuba-Europa ist es zu verdanken, dass sie schlussendlich in China gekauft und nach Kuba gesandt werden konnten.

Bis November 21 hatten 85 Prozent der Bevölkerung, einschliesslich Kinder ab 2 Jahren, drei Impf-Dosen erhalten. Bis heute wurden gleich vielen zusätzlich eine Auffrisch-Impfung verpasst.

Ende 2021, vor dem Auftreten der Omicron-Variante, waren die täglichen Fälle dadurch auf weniger als hundert gesunken, mit nur einigen wenigen Todesfällen pro Woche. Ganz sicher spielte dafür auch die Impfung der Kinder eine hervorragende Rolle. Mitte November nahmen Schulen und Universitäten ihren

Unterricht wieder auf. Ich hatte das Privileg, genau in diesen ersten Tagen in Kuba zu weilen und unter anderem zu beobachten, wie normal Alle das Tragen der Masken empfinden, und zwar ab dem Kindergarten.

Die kubanischen Impfstoffe wurden ausser in Kuba ebenfalls in Venezuela und im Iran getestet und angewendet, im Iran in Zusammenarbeit mit dem sehr berühmten lokalen Pasteur-Institut. Zusätzlich hat Kuba sie auch Nicaragua, Bolivien und anderen Ländern, zum Teil bezahlt, zum Teil kostenlos, zur Verfügung gestellt.

International gibt es eine Perspektive, die Impfstoffe auch in Argentinien zu produzieren. In Italien gibt es eine beschränkte Zusammenarbeit: Freiwillige aus Turin beteiligen sich an einer Wirksamkeits-Studie. Das von der Pharmaindustrie beherrschte Europa aber macht es schwierig: um hier anerkannt zu werden, müssen lokale Studien vorgelegt werden, was natürlich für Kuba und dessen Biotechnologie-Unternehmen unbezahlbar ist. Zudem gibt es Vorschriften zur Produktion, die klar von der kapitalistischen Pharmaindustrie vorgegeben wird. Und die Kuba ebenso wenig anwenden kann, weil dem Land die entsprechenden Geräte und Einrichtungen verwehrt werden. Ein kleines konkretes Beispiel dazu: anlässlich meines Besuches bei GIBG – eines der Biotechnologie-Unternehmen Kubas – haben wir zugesagt, Reagenzien zu finanzieren, die für Studien zur Zulassung des Abdala-Impfstoffes bei der Weltgesundheitsorganisation benötigt werden. Bis heute hat sich  keiner der wenigen Produzenten bereit erklärt, Kuba diese Reagenzien zukommen zu lassen!

Ein Hinweis noch zu den kubanischen Impfstoffen und Europa: Seit Anfangs Jahr zirkuliert auf change.org eine Petition für die Zulassung von Abdala in Europa, die bisher nicht ganz 10’000 Unterschriften erreicht hat. Ich möchte alle ermutigen, diese Petition zu unterzeichnen und weiterzuverbreiten.

Die Blockade muss jetzt endlich weg!

Danke

 

Ausserdem dies:

Die Partei der Arbeit der Schweiz teilte am Mittwoch abend zum Start der diesjährigen »Unblock Cuba«-Kampagne mit:

https://www.jungewelt.de/artikel/423312.blockade-thematisieren-druck-verst%C3%A4rken.html

Veröffentlicht unter Aktuell, Blockade, Cuba, International, Kultur, Schweiz

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