Ein Original bleiben

In Havanna ist am Donnerstag abend (Ortszeit) die 22. Internationale Buchmesse eröffnet worden. Bei der feierlichen Zeremonie in der historischen Festungsanlage La Cabaña am Hafen der kubanischen Hauptstadt begrüßte der in Uruguay geborene 79jährige Schriftsteller Daniel Chavarría, die Vertreter des Gastlandes Angola mit den Worten »Sie sind in Kuba auf heimatlichem Boden.« Kubas Nationalheld, José Martí, habe schließlich gelehrt, daß »Menschen, die für die Befreiung kämpfen, auf der ganzen Welt eine Heimat haben«, fügte er hinzu. Chavarría ist einer der Ehrengäste, dem die Messe in diesem Jahr gewidmet ist. Seit 1969 lebt er in Havanna und bezeichnet sich inzwischen als kubanischer Autor. 2010 wurde er mit dem Nationalpreis für Literatur geehrt. Die zweite Persönlichkeit, in deren Zeichen die Veranstaltung in diesem Jahr steht, ist der Nationalpreisträger für Sozialwissenschaften, Pedro Pablo Rodríguez. Auch er berief sich auf das Erbe Martis und sagte: »Wir stehen in Kuba vor grundlegenden, notwendigen Veränderungen. Aber wir können nur überleben, wenn wir ein Original bleiben. Wer uns zu einer Kopie ­Washingtons oder Europas machen will, raubt unserem Volk Identität und Zukunft.« Die globale Krise des Kapitalismus drohe nicht nur, alle sozialen Leistungen im westlichen Teil der Welt zu zerstören, »sondern ist eine Gefahr für die Menschheit«, fügte er in seiner Eröffnungsrede hinzu

Angolas Kulturministerin, Rosa Maria da Cruz e Silva, forderte in ihrer Ansprache die Freilassung der fünf in den USA inhaftierten kubanischen Antiterrorkämpfer. Danach lobte sie die historisch enge Beziehung zwischen beiden Ländern. »Wir haben im Befreiungskampf gesiegt, weil dieses Land uns selbstlos unterstützt hat«, sagte sie. »Unser Volk wird nie vergessen, daß tausende Kubaner ihr Leben für unsere Freiheit gegeben haben.«

Schon Tage vor der offiziellen Eröffnung waren viele Straßen und Plätze im Zentrum der Hauptstadt voll von Bücherständen, Lesebühnen, Straßentheaterensembles, lesenden und diskutierenden Gruppen, aber auch von Clowns und von Musikern aller Stilrichtungen. An den Büchertischen deckten sich viele Menschen schon frühzeitig mit Lesestoff ein. »Wer weiß, ob die Bücher, die mich interessieren, später noch erhältlich sind«, sagte eine Frau, während sie an einem der vielen Stände im Pabellón Cuba zwei Plastiktüten mit Kinderbüchern vollpackte. So wie sie trugen etliche ihre Neuerwerbungen nach Hause, andere vertieften sich gleich an einem schattigen Platz in die Lektüre. Obwohl auf der diesjährigen Messe mehr als vier Millionen Exemplare von rund 3500 verschiedenen Buchtiteln ausliegen, übersteigt die Nachfrage oft das Angebot. Bücher sind hier kein Luxusartikel, sondern für jeden erschwinglich. In Kuba oder den ALBA-Staaten verlegte Bücher kosten zwischen zwei und maximal 25 kubanischen Pesos, umgerechnet zwischen fünf und 70 Euro-Cent.

Die Angebotsvielfalt zieht von Jahr zu Jahr mehr Gäste aus dem Ausland an, die hier eine Alternative zum kommerzialisierten Kulturbetrieb in ihrer Heimat finden. Die größten Besuchergruppen kommen nach Auskunft des Kubanischen Buchinstituts (ICL) in diesem Jahr aus Mexiko, Argentinien, Chile, Spanien, Italien und den USA. Unter den Ausstellern sind neben Venezuela und Ecuador auch Rußland und das Gastland Angola stark präsent.

junge welt
16. Februar 2013
Volker Hermsdorf



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