Ein überzeugter Internationalist

Er hätte wie immer verhalten reagiert. „Muss das denn jetzt sein?“, hätte er gefragt. „Ja, Reinhard“, hätte ich geantwortet, „das muss sein, weil ich doch noch schnell einen Kommentar brauche.“

Solche Gespräche führten wir oft, wenn wieder ein Angriff gegen Kuba gefahren wurde. Ich noch als Redakteur bei der Tageszeitung „junge Welt“, er als Koordinator von Cuba Sí. Es war nicht so, dass Reinhard nichts sagen wollte. Ihm lag nur nicht das Drängen in den Vordergrund, der Dünkel vieler Linker. Zu diesem letzten Text kann er nichts mehr beitragen. Reinhard Thiele starb am 5. Juni nach kurzer, schwerer Krankheit. Seine Kommentare werden fehlen.

Es war seine stille Autorität, mit der er die AG Cuba Sí aus einer schwierigen Phase in den Erfolg führte. Einen großen Teil dieses Weges legte er mit Marion Gerber zurück, lange Zeit über das „zweite Gesicht“ von Cuba Sí. Es gehört zu den traurigen Zufällen, dass sie exakt vor drei Jahren zu Grabe getragen wurde. Auf dem gleichen Friedhof, in der gleichen Trauerhalle.

Und dann gab es da den anderen Reinhard Thiele. Man traf ihn außerhalb des Cuba-Sí-Büros im Berliner Karl-Liebknecht-Haus, wo er, eingehüllt im Qualm einer Guantanamera-Zigarre, E-Mails an die Projektpartner in Kuba schrieb. Man traf ihn etwa in Havanna im Jazz-Café der Galería Paseo in Blickweite des Malecón. Oder im Keller des Jazz-Clubs La Zorra y El Cuevo an der 23. Straße. Es waren zwei Refugien, in die er sich nach getaner Arbeit mit den kubanischen Partnerorganisationen gerne zurückzog. Oder nach einem anstrengenden Tag auf der Buchmesse, auf der er seit 2004 gegen den Kulturboykott der deutschen Regierung kämpfte. Der Jazz war neben Kuba seine zweite Leidenschaft. Er war sein Zugang zu den Kulturen Afrikas und Lateinamerikas.

Am Montag begleiteten über 200 Freunde und Genossen Reinhard Thiele auf seinem letzten Weg auf den Friedhof der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde. Sie standen seiner Frau Heike zur Seite und seinen Söhnen Florian und Tobias, seiner Schwester Karin Hain und seinem Vater Helmut. Als aufrechter Sozialist habe er bis zum Ende für eine bessere Gesellschaft gekämpft, sagte Kubas Botschafter Gerardo Peñalver in seiner Trauerrede. Ein „Freund, Bruder und Kampfgenosse“ sei er gewesen, fügte der kubanische Chansonnier Gerardo Alfonso hinzu: Er sei einer der Stärksten gewesen, einer jener, die im Brechtschen Sinne ein Leben lang kämpfen.

Er war ein neuer Mensch.

Tageszeitung Neues Deutschland – 7.Juli 2009
Harald Neuber

Veröffentlicht unter Kultur

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