Freiheit für »Cuban Five«

Zum dritten Mal wird in einem der bekanntesten politischen Verfahren der USA am kommenden Montag in Atlanta verhandelt werden. Rund neun Jahre nach ihrer Festnahme im September 1998 soll das örtliche Berufungsgericht über das Schicksal von fünf kubanischen Staatsbürgern entscheiden. Gerardo Hernández, Ramón Labañino, René González, Antonio Guerrero und Fernando González wurden im Juni 2001 nach einem siebenmonatigen Verfahren in Miami im US-Bundesstaat Florida zu Freiheitsstrafen zwischen 15 Jahren und lebenslanger Haft wegen Spionage verurteilt. Tatsächlich hatten sie terroristische Organisationen in den USA beobachtet, um die Informationen nach Havanna weiterzuleiten.

Der bisherige Verfahrensverlauf hat vor allem eines gezeigt � daß es sich um ein politischen Fall handelt, der von den Verantwortlichen in den USA nach politischen Kriterien behandelt wird. Darauf weist alleine das Tauziehen hin. Im August 2005 hatten die beiden vorsitzenden Richter an der 11. Kammer des Berufungsgerichtes von Atlanta die Urteile aus dem Juni 2001 auf Antrag der Verteidigung hin annulliert und eine Verlegung des Verfahrens angeordnet. Miami, so hieß es in der 93seitigen Begründung, sei kein neutraler Ort für einen Strafprozeß gegen kubanische Staatsbürger, weil diese Stadt als Hochburg der Castro-feindlichen Exilkubaner bekannt ist. Die Richter Stanley Birch und Phyllis Kravich wurden damit auch der Kritik eines UN-Gremiums gerecht. Die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen gegen Willkürliche Inhaftierungen hatte das Urteil zuvor scharf kritisiert. Es stünde im Widerspruch zur Internationalen Konvention über zivile und politische Rechte aus dem Jahr 1966, urteilte das Gremium, um Washington zur Intervention aufzufordern. Doch die fiel anders als erwartet aus: Ein Jahr später wurde die Annullierung der Urteile von einem zwölfköpfigen Richtergremium desselben Berufungsgerichts widerrufen. Die kubanische Regierung machte für diese Entscheidung den politischen Druck der Regierung verantwortlich.

Wenn es am Montag zu der inzwischen dritten Berufungsverhandlung kommt, werden die Anwälte der Kubaner daher neue Argumente darlegen müssen, um das Verfahren wieder aufzurollen. Das internationale Interesse dabei ist groß. Das »Nationale Komitee zur Befreiung der Cuban Five«, das die Solidaritätskampagne in den USA organisiert, erwartet nach eigenen Angaben Beobachter aus Chile, Brasilien, Italien, Deutschland, Ecuador, Großbritannien, Kanada, Belgien. Aus Deutschland wird die Verhandlung unter anderem von dem Bremer Rechtsanwalt Eberhard Schultz sowie dem Völkerrechtler und Bundestagsabgeordneten der Fraktion Die Linke, Norman Paech, verfolgt.

Bei ihrer Initiative wollen die Anwälte nun weitere Kritikpunkte und Verfahrensfehler anführen. So wird einem der Männer, Gerardo Hernández, vorgeworfen, mit seiner Tätigkeit an einem regionalen Flughafen zum Abschuß zweier Kleinflugzeuge einer extremistischen exilkubanischen Organisation beigetragen zu haben, die im Februar 1996 trotz wiederholter Warnungen in den kubanischen Luftraum eingedrungen waren. Für einen direkten Zusammenhang zwischen Hernández� Mission und dem Abschuß wurden jedoch keine Beweise vorgebracht. Und: »In diesem Fall wurde zum ersten Mal eine Person dafür verantwortlich gemacht, daß ein souveräner Staat seinen Luftraum verteidigt hat«, sagte Verteidiger Leonard Weinglass in einem Interview.

Nicht nur dies ist ein Indiz für den politischen Charakter des gesamten bisherigen Verfahrens. Kritisiert werden soll am Montag auch das Fehlverhalten des Staatsanwalts John ­Kastrenakes in der Hauptverhandlung 2001. In seinem Schlußplädoyer hatte Kastrenakes den Angeklagten mehrfach vorgeworfen, »die USA zerstören« zu wollen. »Dieser Vorwurf wurde durch nichts gedeckt«, meint Weinglass. Er weise vielmehr auf die politische Motivation des Anklägers hin.

Und schließlich soll in der Berufung die Höhe der verhängten Strafen thematisiert werden. Kubas Parlamentspräsident Ricardo Alarcón wies noch während eines regionalen Gipfeltreffens vor wenigen Tagen darauf hin, daß in einem weiteren bekannten Spionagefall gerade einmal eine Haftstrafe von zehn Jahren verhängt wurde. Leandro Aragoncillo wurde 2005 wegen Spionage im Weißen Haus verurteilt. Bei dem von den Philippinen stammenden US-Bürger wurden 733 als geheim eingestufte Dokumente sichergestellt. Bei den fünf Kubanern konnte hingegen kein einziges Geheimdokument gefunden werden. Trotzdem wurden drei von ihnen wegen »Konspiration zur Ausübung von Spionage« verurteilt. Auch das ein Novum in der Rechtsgeschichte der USA.

Trotz der Rückschläge der vergangenen Jahre sieht Anwalt Weinglass dem Berufungstermin am Montag optimistisch entgegen. Allein die Tatsche, daß zum dritten Mal eine Wiederverhandlung durchgesetzt werden konnte, sei ein Erfolg, sagte er im Gespräch mit Gloria La Riva vom US-amerikanischen Solidaritätskomitee: »Wir führen das auch auf die Aufmerksamkeit im Land und auf internationaler Ebene zurück«. In den vergangenen Wochen hatten BBC, CNN und internationale Nachrichtenagenturen über die »Cuban Five« berichtet.

Und wenn die Verteidigung sich erneut nicht durchsetzen kann? »Dann werden wir den obersten Gerichtshof anrufen«, so Weinglass. Dort könnten � anders als in Atlanta � auch wieder die Verfahrensfehler und die Frage des Verhandlungsortes thematisiert werden.

Im Porträt: Die Gefangenen
Ramón Labañino

1963 in Havanna geboren. Labañino studierte Wirtschaftslehre. Anfang der neunziger Jahre ging er im Auftrag kubanischer Behörden in die USA, um die Arbeit dort ansässiger terroristischer Organisationen zu erkunden. Er beobachtete die McDill-Luftwaffenbasis in der Nähe der Stadt Tampa. Ramón Labañino wurde zu lebenslanger Haft plus 18 Jahren verurteilt.
Antonio Guerrero

1958 in Miami geboren. Nach dem Sieg der kubanische Revolution kehrte die Familie nach Kuba zurück. In Kiew studierte er Ingenieurswesen. In den neunziger Jahren ging er in die USA, um eine Stelle am kleinen Regionalflughafen in Cayo Hueso anzutreten. Er übermittelte Daten über die Flugbewegungen nach Kuba. Antonio Guerrero wurde zu lebenslanger Haft plus zehn Jahren verurteilt.
René González

1956 in Chicago geboren. 1961 kehrte seine Familie nach Kuba zurück. Nach dem Studium in den siebziger Jahren beteiligte er sich am kubanischen Militäreinsatz in Angola. Auch er ging in den neunziger Jahren im Auftrag kubanischer Behörden in die USA. René González wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt.
Gerardo Hernández

1965 in Havanna geboren. Nach einem Studium am Institut für Internationale Beziehungen beteiligte auch er sich in den achtziger Jahren an der Mission in Angola. In den neunziger Jahren zog er in die USA. Gerardo Hernández wurde zu zwei Mal lebenslanger Haft plus 15 Jahren verurteilt.
Fernando González

1963 in Kuba geboren. Wie Gerardo Hernández studierte er am Institut für Internationale Beziehungen des kubanischen Außenministeriums. In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre ging er mit dem gleichen Auftrag wie die übrigen vier Männer in die USA. Er wurde zu 19 Jahren Haft verurteilt.

»Geiseln der Kuba-Politik Washingtons«
Was erwartet die Solidaritätsbewegung von der Verhandlung?
Ein Gespräch mit Alicia Jrapko
Interview: Harald Neuber
Alicia Jrapko ist Mitarbeiterin des Internationalen Komitees für die Freiheit der Cuban Five

Am Montag wird der Fall der fünf kubanischen Informanten vor dem gleichen Gerichtshof behandelt, der 2005 schon einmal im Sinne der Verteidigung entschieden hat. Das Urteil wurde später � manchen Darstellungen zufolge auf politischen Druck hin � revidiert. Gibt es überhaupt Chancen für eine positive Wende?

Das ist schwer zu sagen, weil der Fall enorm politisiert ist. Das Anwaltsteam ist aber hervorragend, und es tut alles, was in seiner Macht steht. Dieser juristische Kampf ist enorm wichtig für die Kampagne. Aber er ist in den USA natürlich auch sehr schwer, wenn es um Kuba geht. Es gibt viele Vorurteile und viel Unwissen in Bezug auf Kuba, und die Gerichte sind da keine Ausnahme. Wir haben also Hoffnung. Aber Vertrauen haben wir nicht.

Weil es sich um einen politischen Fall handelt?

Natürlich. Die »Cuban Five« sind Geiseln der Kuba-Politik Washingtons. Sie hätten nie vor Gericht gestellt werden dürfen.

Auch Prozeßbeobachter haben in der Vergangenheit das zweierlei Maß der US-Justiz kritisiert. Zumal der antikubanische Terrorist Luis Posada Carriles wegen seiner Taten in den USA nie vor Gericht gestellt wurde. Weshalb beharrt die US-Staatsanwaltschaft auf dem Urteil gegen die »Cuban Five«?

Weil sie der verlängerte Arm derselben Mafia ist, die den Nutzen aus der Kuba-Politik der USA zieht, und die durch diese Politik Milliarden US-Dollar verdient hat.

Ein harter Vorwurf. Haben Sie dafür Belege?

Einen Beleg gab es während des Verfahrens gegen die »Cuban Five«. Am letzten Tag der Hauptverhandlung wurde im Juni 2001 ein Foto von Staatsanwalt Guy Lewis geschossen, wie er mitten im Gerichtsgebäude den berüchtigten Terroristen José Basulto freudestrahlend umarmt. Basulto ist ausgerechnet einer der antikubanischen Terroristen, die von den fünf nun Inhaftierten überwacht wurden, um weitere Gewalt gegen Kuba zu verhindern.

Der große Einfluß des kubanischen Exils auf die US-Politik ist ja hinreichend bekannt. Aber wird der politische Schaden für Washington nicht irgendwann zu groß?

Kurzfristig wohl nicht. Denn diese Regierung gefährdet mit ihren Kriegen derzeit die Zukunft der Menschheit, ohne irgendwelche Konsequenzen befürchten zu müssen. Seit Beginn des sogenannten Krieges gegen den Terrorismus ist die Welt Zeuge, wie sich diese Regierung über jedes internationale Recht stellt. So auch im Konflikt mit Kuba. Obwohl die Beteiligung von Posada Carriles an einem Terroranschlag auf ein kubanisches Flugzeug 1976 als bewiesen gilt, wird er beschützt und ein Auslieferungsersuchen Venezuelas ignoriert. Aber diese Politik wird nicht ewig fortgesetzt werden können.

Harald Neuber
junge Welt, 18. August 2007

Veröffentlicht unter Die Fünf

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