Keine Spur von Unabhängigkeit

Was sich dabei das Schweizer Radio und Fernsehen SRF an Manipulation und Desinformation leistet, ist schlicht ungeheuerlich.

Nachstehend – hier als Offener Brief – eine Protestschrift an SRF:

Sehr geehrte Damen und Herren von SRF News
zum Beitrag von Ihrem USA-Korrespondent Matthias Kündig zu Kuba /“Patria y Vida“ schicke ich Ihnen hier einige Ausführungen und einen Protest.
Es ist höchst befremdlich, dass sich SRF dazu hergibt, in die US-gesteuerte Desinformations- und Diskreditierungskampagne der USA gegen Kuba einzustimmen.
Im Beitrag zu „Patria y Vida“ spricht der USA-Korrespondent Matthias Kündig darüber, dass im Lied Versorgungsengpässe in Kuba kritisiert würden. Er sagt, dass die Versorgungslage – „es fehlt sogar an Grundnahrungsmitteln“ – der Auslöser für das Lied sei. Ja, man kann natürlich ein Haus anzünden und zusätzlich die Wasserleitungen sabotieren und dann kritisieren, dass es brennt und der Feuerwehr anlasten, dass sie das Haus nicht löschen kann. Das ist ein bekanntes Prinzip. In Italien nannte man das Counterinsurgency-Programm der 60er Jahre der NATO-Geheimtruppen „Strategie der Spannung“. Diese Strategie wurde und wird durch die USA jedoch überall angewandt. In Lateinamerika z.B. beim von der CIA bezahlte Lastfahrerstreik vor dem CIA-Putsch gegen Allende in Chile 1973! Auch in Kuba wurde dies schon mehrmals versucht, interessant dazu ein Buch von Brian S. Latell, ehemaliger CIA-Direktor für Lateinamerika und die Karibik.
Lesen bitte!
Es ist das gleiche Muster wie in Chile. Woher stammen denn die Versorgungsengpässe? Wer ist dafür seit über 60 Jahren verantwortlich? Es sind die USA, die die Blockade gegen Kuba weltweit durchsetzen wollen, Clinton, Trump, und nun auch Biden, verschärften die Blockade zunehmend.
In der Abstimmung im Schweizer Nationalrat vom 9. März 2021 zum Postulat Unblock Cuba heisst es: ..“von den jahrzehntelangen Fesseln der notbringenden Wirtschaftsblockade befreit werden kann.“ …….„Hauptgrund dafür (für die wirtschaftliche Situation in Cuba) ist die
seit 60 Jahren einseitig geltende Wirtschaftsblockade der USA, welche mehrmals von der UNO als im Sinne des Völkerrechts als illegal verurteilt wurde.“
Kann man, liebe SRF-News – Verantwortliche seriös über Versorgungsengpässe in Kuba berichten, ohne über diese Zusammenhänge zu informieren? Nein, das kann man nicht, seriöser Journalismus wäre anders.
Das hat auch die Unabhängige Beschwerdestelle AIEP/UPI kürzlich zu einer RTS-Sendung über Kuba beurteilt:
„Die Unabhängige Beschwerdestelle hat sämtliche Beanstandungen (…….) einstimmig
gutgeheissen und damit die Sendung als Verletzung der Programmvorschriften qualifiziert. Die Kommissionsmitglieder waren sich einig, dass die Sendung eine in mehrfacher Hinsicht stark verzerrte Darstellung war.“
Ihr Journalist sagt, das Lied hätte in Kuba wie eine Bombe eingeschlagen. Hätte er offensichtlich gern. Komische Aussage für einen Journalisten, hat eine Bombe doch eigentlich zerstörerische Wirkung. Was er jedoch verschweigt, ist, dass die totale Wirtschaftsblockade gegen Kuba tatsächlich wie eine Bombe wirkt. In diesem Zusammenhang wäre die Nennung „Bombe“ weitaus realistischer und notwendig. Wie Bomben in diesem jahrzehntelangen Wirtschaftskrieg.
Es ist also nur zynisch und skandalös, dass zwar Versorgungsengpässe thematisiert werden, aber nicht die wirklichen Verantwortlichen, unter denen sich auch die Schweizer Banken und Firmen ( u.a Firmen von medizinischen Geräten!) befinden.
Nicht nur das Postulat Unblock Cuba wurde mit einer Mehrheit im Nationalrat angenommen, am 23. Juni wurde auch von der UNO-Vollversammlung mit einer Mehrheit von 184:2 Stimmen(!) die US-Blockade als völkerrechtswidrig und illegal verurteilt und das Ende der Blockade gefordert!
Der Aussenverantwortliche der EU. Juan Borell, sagte mehrmals, dass die EU gegen die Blockade sei und speziell die extraterritoriale Anwendung illegal ist.
Es ist kaum vorstellbar, dass dem US-Korrespondent Matthias Kündig und Ihnen von der SRF diese Zusammenhänge nicht bekannt sind.
Warum verschweigen Sie sie dann trotzdem?
Wieso reden Sie lieber von der „Ideologie des kommunistischen Regimes“? Die Regierung Kubas ist legal gewählt, es gibt ein gewähltes Parlament, eine Verfassung, (die neue Verfassung wurde nach 2 jähriger Debatte in der Bevölkerung in einer Abstimmung mit 86% angenommen worden) Kuba ist ein Rechtsstaat. Die kubanische Regierung ist also demokratisch, verfassungsmässig und durch Gesetze legitimiert und kein „Regime“.
Ist es nicht eher die Ideologie der US-imperialistischen Ausrichtung, die realen Schaden anrichtet? Die Ideologie und Geschichte der „Hinterhof“- Politik der USA? Die Geschichte, dass in der Karibik, in Zentralamerika – also im deklarierten „Hinterhof“ der USA – aber auch in ganz Lateinamerika nichts gegen die Interessen und den Willen der USA geschehen darf. Die Geschichte der US-Einmischungen, Morde, Putsche und versuchten Aufstände (wie eben z.B. der von der CIA bezahlte Lastfahrerstreik vor dem CIA-Putsch in Chile 1973 oder bezahlten und angestachelten Proteste in Guatemala 1954 vor dem CIA-Putsch! )
Und seit über 60 Jahren die illegale totale Wirtschafts-, Finanz- und Handelsblockade gegen Kuba! DAS ist doch Ideologie und deren brutale, schändliche Anwendung!
Wieso richten sich die Schweizer Banken nicht nach dem Schweizer Nationalrat und der UNOVollversammlung und heben diese illegale Blockade auf? Was hindert sie daran? Opportunismus?
Der Riecher, womit man mehr Geld verdienen kann? Es gibt einen Satz eines kubanischen Mädchens: „Herr Trump, mit welchem Recht trampeln Sie auf meiner Zukunft?“ Kann man mal auch den Schweizer Banken – oder SRF – sagen!
Ihr Journalist schreibt von „unglaublich nervösen“ Reaktionen der kubanischen Regierung auf dieses Lied.
Sie hätten deshalb ein Gegenlied in Auftrag gegeben. Das kubanische Staatsradio würde das Lied „pausenlos“ spielen Wow, ist das alles? Lächerlich, wenn es nicht so traurig wäre. Matthias Kündig sagt, das Lied Patria y Muerte por la Vida (das er nicht einmal als Titel erwähnt..) sei von der kubanischen Regierung „in Auftrag“ gegeben worden. Seriöser Journalismus zeichnet sich doch durch Quellenangaben, Belege aus. Wo sind hier die Belege, die Quellenangaben, dass die kubanische Regierung dieses Lied „beauftragt“ habe? Es ist eher so, dass Ihr Journalist der USamerikanischen Propaganda nachspricht, und etwas dahinschwurbelt. Und diese Propaganda ist – im Gegensatz zu seiner Behauptung – real. Es ist hinlänglich bekannt, dass die BidenAdministration schon über 50 Millionen Dollar hat für antikubanische Propaganda freigegeben hat.
Obwohl nach der UNO-Charta die Einmischung in ein anderes Land nicht erlaubt ist! Auch hier scheren sich die USA nicht um die Weltmeinung, es gelten nur ihre eigenen Interessen und Gesetze!
Das Lied „Patria y Muerte por la Vida“ wurde von Raul Torres initiiert und mit andern bekannten und beliebten Musiker*innen gesungen. Vielleicht kennen Sie oder Matthias Kündig Raul Torres nicht, so wie Sie kaum wirklich etwas von Kuba und seiner Bevölkerung kennen. (Im Zusammenhang mit der Abstimmung zum Unblock Cuba-Postulat etwa meinte der FDPParlamentarier Hans-Peter Portmann im Tages Anzeiger vom 23.4. 2021 dass er schätze, dass in einer Abstimmung eine Mehrheit der kubanischen Bevölkerung für die Kommunistische Partei stimmen würde.) Raul Torres ist seit Jahrzehnten einer der absolut beliebtesten Musiker*innen Kubas. Alle kennen ihn und seine Lieder: Liebe zu Kuba, Liebe zur Bevölkerung, Liebe zur Revolution und ihren Errungenschaften. Ihn in denunzierender Absicht einfach einen „regimetreuen Musiker“ zu nennen ist schon sehr respektlos und zeigt eindrücklich und erschreckend, dass Sie von Kuba real nicht wirklich viel kennen. Und, nebenbei, auch von Meinungsfreiheit nicht viel halten. Raul Torres hat es tatsächlich nicht nötig, von der kubanischen Regierung beauftragt zu werden. Ebenso wenig Annie Garcés oder die Rapperin Yisi Calibre, die im Lied rappt. Hören Sie doch mal rein……
Matthias Kündig sagt: „ Doch ironischerweise ist durch diese Gegenkampagne der Song Patria y Vida in der kubanischen Bevölkerung nur noch bekannter, populärer geworden“. Liebe SRF, wollen Sie uns eine solche Aussage tatsächlich als Journalismus verkaufen? Im Ernst?
Wieso hat SRF Angst davor, reale Transparenz zu erstellen? Wieso opfern Sie für eine solche Fake-Berichterstattung den seriösen Journalismus?
Passt es nicht zur der von Ihnen verbreiteten Ideologie?
Noch eine Realität, die Sie natürlich unterschlagen, weil es einfach nicht in Ihr Narrativ passt:
Descemer Bueno, einer der bekanntesten Sänger des Patria por la Vida-Liedes, geriet nach seinem Start ins US-Leben gleich mit der Meinungsfreiheit und der antikubanischen Ideologie der USA in Konflikt. Da er in einem Post auf seinem offiziellen Facebook-Konto die US-Blockade kritisierte („Die USA blockieren uns in Kuba den Zugang zur Hilfe, zu den grundlegendsten Dingen, die wir benötigen wie Masken, Medikamente, Nahrung, Beatmungsgeräte“), und die die in den USA lebenden KubanerInnen dazu aufforderte, ein Ende dieser grausamen Politik zu verlangen, „denn die Insel sei ein Land, das anderen zu Hilfe komme, die ebenfalls gegen COVID-19 kämpfen“ erhielt er Mord- und andere Drohungen. Zudem wurde ihm mitgeteilt, dass er in den USA ein Auftrittsverbot erhalte, so wie vor ihm schon andere kubanischen Musiker*innen mit nicht genehmen Meinungsäusserungen zur US-Blockade.
Sein Lob für Kubas medizinische Zusammenarbeit und seine Verurteilung der US-Blockade brachten ihn ins Fadenkreuz von TV-Moderator Alex Otaola, dem es innerhalb weniger Monate gelang, seine Konzerte in Miami zu boykottieren und seine Karriere in den USA zu zerstören. Das war nicht das erste Mal, dass der Musiker angegriffen wurde. Sein Name erschien auf der Liste der in den USA in Ungnade gefallenen kubanischen Künstler*innen, auf der auch Haila, Jacob Forever, Gente de Zona und viele andere mehr standen, denen Konzerte in den USA abgesagt wurden, gegen die Kampagnen in den sozialen Netzen, in Fernsehprogrammen und auf LiveVideos gestartet wurden. Descemer Bueno wehrte sich, brachte den Moderator vor Gericht. Aber er verlor den juristischen Kampf. Und dann folgte seine Läuterung: Plötzlich, ohne irgendeinen Anlass begann er damit, die kubanische Regierung anzugreifen und ging vor Otaola auf die Knie, gratulierte ihm sogar zu seinem Interview mit Donald Trump und seinem Kampf für die „Freiheit Kubas“.
Offenbar hat die Kampagne gegen ihn leider gewirkt. Und Ihr Journalist erwähnt sie natürlich nicht, da sie ihm nicht in sein Ideologie-Schema passt.
Matthias Kündig spricht von der staatlichen „Ideologie“ Kubas und versucht, diese negativ zu besetzen. Was genau meint er damit?
Wenn diese Ideologie bedeutet:
• dass in Kuba gleich zu Beginn der neuen, revolutionären Regierung eine nationale Alphabetisierungskampagne eine neue Ära der Bildungsgleichheit einläutete und damit Millionen von Kindern und erwachsenen Menschen ein Leben mit Bildung und Wissen ermöglichte
• dass der Rassismus – gefördert in früheren Jahrhunderten auch von einem Schweizer Sklavenhalter namens Escher (!) und von der Zucker- und Kaffeeausbeutung durch internationale Konzerne – in Kuba aktiv bekämpft wird
• dass in Kuba versucht wird, dass alle Kubaner*innen gleichberechtigtere Einkommen haben und nicht eine Börse, Aktien und Dividenden die Gewinnmaximierung mit allen Mitteln zulasten eines Teils der Bevölkerung durchsetzen und damit für grosse Armut und Ungleichheit z.B in vergleichbaren Ländern Lateinamerikas verantwortlich sind
(In der Schweiz besitzt das reichste (1) Prozent über 42% des Gesamtvermögens……)
• dass die Frauen in Kuba gefördert werden und zwar auf allen Ebenen, der wirtschaftlichen,
gesellschaftlichen, kulturellen, politischen. In Kubas Parlament sind die Frauen mit gut 53%
vertreten.
• dass die medizinische Versorgung und Behandlung für die kubanische Bevölkerung kostenlos
ist. (Jedoch durch die kriminelle US.Blockade unter einem riesigen Druck steht und für die
Bevölkerung mehr und mehr dramatisch ist. Trotzdem hat die kubanische Regierung es
geschafft, für die Bevölkerung mehrere hochwirksame Impfstoffe gegen Corona zu entwickeln,
was zeigt, wie wichtig ihr die Gesundheit der Bevölkerung ist. Und wohl wissend, wie
jämmerlich egoistisch der „Solidaritätswille“ der westlichen Länder mit den Ländern des
globalen Südens auch in dieser Impfkampagne gegen die Pandemie ist….)
• dass die Säuglingssterblichkeit in Kuba aufgrund der Regierungspolitik eine der tiefsten auf der ganzen Welt (inkl. der USA) ist. Nach Angaben von UNICEF entspricht die Abdeckung und Qualität von kinder- und mütterfreundlichen Krankenhäusern in Kuba den weltweit höchsten Standards. Die UN-Kinderrechtskonvention ist laut dem UNICEF-Vertreter für Kuba, José Juan Ortiz Brú, in diesem Land am besten umgesetzt.
• dass in Kuba der Umwelt – und Klimaschutz in der Verfassung verankert ist. Laut WWF ist Kuba eines der nachhaltigsten Länder der Welt. Fidel Castro hielt schon 1992 (!) am Umweltgipfel in Rio de Janeiro eine visionäre Rede zum Klimaschutz und warnte vor den Gefahren der durch masslose Ausbeutung verursachten Umweltzerstörung. Ja, da kann man schonmal ins Visier der masslos gewinnorientierten USA geraten….
Wenn diese Ideologie in der Realität dies alles bedeutet, kann sie nicht wirklich schlecht sein, nicht? Aber wieso redet Matthias Kündig einfach platt und inhaltsleer, aber in denunzierender Absicht von staatlicher Ideologie Kubas?
Geht das bei Ihnen tatsächlich auch unter seriösem Journalismus?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Kenntnisnahme.
In der Hoffnung, wieder einmal einen seriös recherchierten Bericht zu Kuba zu hören.
Freundliche Grüsse
G.H.
Zürich/ La Habana

12.Juli 2021

Veröffentlicht unter Aktuell

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