Raúl Castro in New York

Der kubanische Präsident Raúl Castro am Samstag in New York

Nach einem intensiven Programm bei der UNO in New York ist der kubanische Präsident Raúl Castro am gestrigen Dienstag (Ortszeit) nach Havanna zurückgeflogen, wo er zu Gesprächen mit dem Präsidenten der Sozialistischen Republik Vietnam, Truong Tan Sang, zusammenkommen wollte. Zuvor hatte er dreimal bei den Vereinten Nationen das Wort ergriffen: beim Gipfeltreffen über nachhaltige Entwicklung, bei der Konferenz für die Gleichberechtigung der Frauen und am Montag schließlich bei der Generaldebatte der UN-Vollversammlung.

In allen Ansprachen betonte Castro die internationalistische Haltung seiner Regierung. Am Montag unterstrich er zudem, dass schon ein Bruchteil der weltweiten Rüstungsausgaben von gegenwärtig 1,7 Billionen Dollar im Jahr ausreichen würde, um die dringendsten Probleme der Menschheit zu lösen. Nach seiner Rede erhoben sich zahlreiche Delegierte von ihren Plätzen und spendeten lang anhaltenden Beifall. Wie dpa am Dienstag notierte, erhielt Castro, den die Agentur als »Exrevolutionär und früheren Geiselnehmer« bezeichnete, den längsten Applaus aller Redner am ersten Tag der UN-Generaldebatte.

In einer freundschaftlichen Unterhaltung beglückwünschte der kubanische Regierungschef am Montag Wladimir Putin zu dessen Rede vor dem Gremium. Der russische Präsident revanchierte sich mit Grüßen an Revolutionsführer Fidel Castro. In den Tagen zuvor hatte der Vertreter der sozialistischen Karibikinsel bereits Gespräche mit einer Reihe weiterer Staats- und Regierungschefs geführt sowie in offiziellen Zeremonien die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit den Marshallinseln und Palau gefeiert. Auch zu einem herzlichen Treffen mit Aktivisten der Kuba-Solidaritätsbewegung kam es in New York. Der Sänger und Schauspieler Harry Belafonte ergriff dabei Castros Hände. »Ich liebe Kuba«, sagte er und fuhr fort: »Ich werde es lieben, solange ich lebe.« Am Sonnabend hatte New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio die Anwesenheit des kubanischen Präsidenten in seiner Stadt als »große Ehre« bezeichnet.

Durchaus symbolträchtig fiel Castros erste Ansprache bei einer UN-Vollversammlung mit einem für Kuba wichtigen Datum zusammen: Am Montag wurde der 55. Jahrestag der Gründung der »Komitees zur Verteidigung der Revolution« (CDR) gefeiert. Diese Nachbarschaftsorganisation war von Fidel Castro am 28. September 1960 auf einer Kundgebung vor dem heutigen Revolutionsmuseum in Havanna als Antwort auf konterrevolutionäre Sabotage- und Terrorakte ins Leben gerufen worden. »Wir werden den Angriffen des Imperialismus ein System der kollektiven revolutionären Wachsamkeit entgegensetzen«, sagte der Comandante en Jefe damals. Nach offiziellen Angaben zählen die 136.000 CDRs in Kuba heute rund 8,5 Millionen Mitglieder. Bereits am Sonntag war landesweit mit dem traditionellen Eintopf »Caldosa«, Getränken und Tanz in den »Tag der Komitees« gefeiert worden. Bei Veranstaltungen am Montag abend waren Castros New-York-Reise, seine Reden vor der UNO sowie der jüngste Besuch von Papst Franziskus in Kuba und den USA häufige Gesprächsthemen. Dabei hielt sich die Zahl derjenigen, die auf den baldigen Fall der Blockade hoffen, mit der der Skeptiker die Waage. »Ich glaube an den guten Willen von Obama«, sagte am Montag ein älterer Teilnehmer der Veranstaltung vor dem Revolutionsmuseum in Havanna, »aber was kommt nach ihm? Den USA traue ich nicht über den Weg, seit ich ein Kind war. Daran hat auch Obama nichts geändert.«

Volker Hermsdorf Havanna

UNO in New York: Gegen Kapitalismus

Auch andere Präsidenten nutzten ihre Auftritte vor der UNO in New York am Montag (Ortszeit) für Kritik an der herrschenden Weltordnung. Nachdem Stunden zuvor US-Präsident Barack Obama die Erfolge des Kapitalismus gelobt hatte, erklärte Boliviens Staatschef Evo Morales, dass dieses Modell gescheitert sei und die Menschheit in die gegenwärtigen Krisen gestürzt habe. Es sei nicht hinnehmbar, dass 70 Jahre nach der Gründung der UNO fast die Hälfte der Bewohner des Planeten hungern müsse, während Millionen Dollar für Kriege und Überfälle auf andere Länder ausgegeben würden. Frieden sei nicht möglich ohne soziale Gerechtigkeit: »Wir sind davon überzeugt, dass der Kapitalismus nicht die Lösung für das Leben und die Menschheit ist.«

Auch der Präsident von Ecuador, Rafael Correa, prangerte das Elend auf der Welt an. Dessen Überwindung sei »die größte moralische Verpflichtung des Planeten«, erklärte der Staatschef, »denn zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ist die Armut nicht das Ergebnis von Ressourcenknappheit oder natürlichen Faktoren, sondern von ungerechten und ausgrenzenden Systemen, die Frucht perverser Machtstrukturen«. Es sei unmoralisch und paradox, »dass auf der einen Seite der freie Verkehr von Waren und Kapital gefördert wird, um größtmögliche Gewinne zu erzielen, aber auf der anderen Seite der freie Verkehr von Menschen auf der Suche nach einer würdigen Arbeit mit Strafen bedroht wird«. Die Lösung seien »nicht mehr Grenzen, sondern Solidarität, Menschlichkeit und die Schaffung von Bedingungen des Wohlstands und des Friedens, die die Menschen davon abhalten, auszuwandern«. (jW)



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Veröffentlicht unter Aktuell, Cuba, International

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