Venezuela: Krieg ohne Bomben

Ariana Cubillos/AP/dpa
Venezuela gegen den Imperialismus: Tausende Menschen demonstrierten
am Samstag in Caracas gegen die US-Aggression

Venezuelas Regierung kämpft weiter darum, die Stromversorgung in dem südamerikanischen Land vollständig wiederherzustellen. Am Donnerstag nachmittag (Ortszeit) war nach einer offenbar durch Sabotage verursachten Havarie am zentralen Kraftwerk Guri die Energieversorgung in weiten Teilen des Landes zusammengebrochen. Bis zum Sonntag hatten die Behörden die Stromlieferungen noch nicht vollständig normalisieren können, immer wieder kam es auch in der Hauptstadt Caracas zu neuen Ausfällen. »Wir befinden uns im Krieg, in einem Krieg ohne Bomben«, sagten Einwohner. Trotzdem bewahrten die meisten Menschen die Ruhe.

Offenbar wurde die Wiederherstellung der Stromversorgung durch immer neue Angriffe erschwert. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro sagte am Samstag bei einer Kundgebung in Caracas vor Tausenden Anhängern, man habe die Energieabdeckung bis zum Mittag des Tages bereits zu 70 Prozent wiederherstellen können, als es zu einer weiteren Attacke gekommen sei. Bereits in der Nacht zum Freitag hatte Informationsminister Jorge Rodríguez erklärt, »vom Ausland unterstützte Kräfte« hätten einen Cyberangriff auf die Kontrollsysteme des Wasserkraftwerks am Guri-Stausee durchgeführt, von dem aus rund 80 Prozent Venezuelas mit Energie beliefert werden. Die Generatoren seien elektronisch sabotiert worden. Er machte den einflussreichen US-Senator Marco Rubio für den Angriff verantwortlich. Der habe nur wenige Minuten nach Beginn des Stromausfalls am Donnerstag über Twitter den Ursprung der Störung genannt – als dieser in Caracas noch gar nicht bekannt gewesen sei. Wenn er nicht hinter der Attacke stecke, sei Rubio ein »Hellseher«, so Rodríguez. Rubio wies das zurück. Wenige Stunden zuvor hatte er im außenpolitischen Ausschuss des US-Senats allerdings gefordert, für »weiträumige Unruhen« in Venezuela zu sorgen, um die Regierung zu stürzen. Oppositionsführer Juan Guaidó kündigte am Samstag einen »Marsch auf Caracas« an.

Außerhalb der Hauptstadt waren die Folgen des Stromausfalls auch am Sonntag noch deutlich zu spüren, einige Ortschaften waren inzwischen 72 Stunden ohne Energieversorgung. In Barinas verkauften die Händler Fleisch und andere Lebensmittel zu einem Drittel der ursprünglichen Preise, weil sie ohne Kühlung verderben würden. Viele Menschen waren jedoch vorbereitet, denn in den vergangenen Jahren war es in vielen Teilen des Landes durch die marode Infrastruktur immer wieder zu länger anhaltenden Stromausfällen gekommen.

Luis Salas, der 2016 für wenige Wochen Wirtschaftsminister Venezuelas war und sich in der Vergangenheit als unabhängiger Experte kritisch mit der Energiewirtschaft seines Landes auseinandergesetzt hat, sieht fehlende Wartung trotzdem nicht als Ursache für den aktuellen Ausfall an. Auf Facebook veröffentlichte er am Sonntag eine Analyse, wonach es keine technische Möglichkeit gebe, dass ein so umfangreicher Ausfall nur auf Schlamperei zurückzuführen sei. Fehlende Investitionen hätten die Infrastruktur allerdings anfällig für Angriffe gemacht.

Dramatisch ist die Lage in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, auch wenn Rodríguez versicherte, dass man ausreichend Notstromaggregate in den Hospitälern habe. Die Nichtregierungsorganisation »Médicos por la Salud« bestätigte in der Nacht zum Sonntag, dass in den meisten Krankenhäusern zumindest die Notstromversorgung funktioniere. Trotzdem gebe es mindestens 17 Todesfälle im Zusammenhang mit der aktuellen Lage.

junge Welt, 11. März 2019

André Scheer und Modaira Rubio, Caracas

siehe auch:

VENEZUELA: Die Spur der Sabotage



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