»Weltweit gibt es etwa 200 Solidaritätskomitees«

Elisabeth Palmeiro ist mit Ramón Labañino verheiratet, einem der fünf Kubaner, die wegen ihres Antiterrorkampfes in den USA lebenslange Freiheitsstrafen verbüßen

Ihr Mann ist jetzt seit zehn Jahren in einem US-Gefängnis inhaftiert, weil er mit vier anderen Kubanern zusammen versucht hat, Terroranschläge gegen sein Land zu verhindern. Haben Sie ihn besuchen können?

Mir wurden bisher fünf Besuche bewilligt. Das letzte Mal habe ich ihn allerdings vor zweieinhalb Jahren gesehen. Die Ehefrauen von René Gonzáles und Gerardo Hernández sind schlechter dran, ihnen wurde die Einreiseerlaubnis achtmal verweigert.

Wie geht es ihm im Gefängnis?

Ramón wurde zu lebenslang plus 18 Jahre verurteilt. Man hat ihn in ein Hochsicherheitsgefängnis gebracht, in dem vorwiegend Schwerverbrecher einsitzen. Das ist sehr gefährlich für ihn, weil die sich in gewalttätigen Banden organisiert haben, die Mithäftlinge terrorisieren.

Gibt es Schikanen der Gefängnisleitung?

Ja natürlich. Sobald irgendein Problem in der Haftanstalt auftritt, bekommen alle Häftlinge Arrest – d. h., sie bleiben zwischen 24 Stunden und acht Wochen in ihren Zellen eingeschlossen. Zusätzlich gibt es spezielle Isolationszellen.

Seit Jahren wird versucht, ein Wiederaufnahmeverfahren einzuleiten, bisher vergeblich. In den USA steht jetzt die Wahl eines neuen Präsidenten an – können Sie sich vorstellen, daß bei einem Sieg von Barack Oba­ma bessere Chancen bestehen?

Nein, diese Illusion haben wir nicht. Es könnte allerdings der Fall eintreten, daß die künftige Regierung der USA weniger aggressiv und weniger fundamentalistisch ist als die des gegenwärtigen Präsidenten George W. Bush. Damit könnte sich das gesellschaftliche Klima verbessern, was auch die Justiz dahingehend beeinflussen könnte, daß sie nach den Gesetzen der USA urteilt und nicht wie im Fall von Ramón und seinen vier Genossen nach den außenpolitischen Interessen der Regierung.

Kuba kämpft seit vielen Jahren um deren Freilassung. Haben Sie einen Überblick darüber, welche Resonanz diese Bemühungen in der Weltöffentlichkeit finden?

Viele Menschen wissen so gut wie gar nichts über Kuba. Sie haben noch nie davon gehört, daß es seit der Revolution vor einem halben Jahrhundert von den USA ausgehend laufend Terroranschläge gegen unser Land gab, denen Tausende Menschen zum Opfer gefallen sind. Das muß man erst einmal wissen, um verstehen zu können, warum wir uns so für die fünf Genossen einsetzen. Aber zum Glück hat Kuba viele Freunde in der ganzen Welt. Bis heute wurden in 100 Ländern schätzungsweise 200 Solidartitätskomitees gegründet, die sich für die Freilassung der fünf einsetzen. Außerdem ist es gelungen, wichtige Resolutionen auf Parlamentsebene durchzusetzen – etwa in Großbritannien, Kanada, Rußland, Deutschland, Venezuela, Mexiko und Bolivien. Auch Amnesty International hat schon dreimal bei den US-Behörden eine Besuchserlaubnis für die Familienangehörigen angemahnt. Außerdem hat der Rat für Menschenrechte – früher war das die Menschenrechtskommission der UNO – im Jahr 2005 erklärt, daß diese Männer willkürlich verhaftet wurden, weil sie kein US-Gesetz verletzt haben. Bisher hat es die US-Regierung nicht für nötig gehalten, darauf überhaupt zu antworten. Aber unser Kampf um die Freilassung der fünf geht weiter.

Deren Inhaftierung ist nur eines der Probleme Kubas. Jetzt gibt es ein neues: die Verwüstung durch die Hurrikane Gustav und Ike …

Havanna, wo ich wohne, war nicht direkt betroffen. Insgesamt wurden im Land 444000 Häuser zerstört. Der Schaden wird auf umgerechnet fünf Milliarden Dollar geschätzt. In vielen Regionen wurde das Stromnetz zerstört. Tausende Hektar Ackerland wurden durch Sturm und Regengüsse verwüstet. Alle landwirtschaftlichen Produkte sind betroffen: Tabak, Bananen, Zuckerrohr, Zitrusfrüchte, Reis usw. Es ist so, als ob das Land wie in einem Krieg großflächig bombardiert worden wäre. Die Isla de la Juventud ist total zerstört. Die Hurrikansaison endet erst Ende November – bis dahin kann es noch weitere Katastrophen geben. Unsere Regierung hat sofort die staatlichen Reserven für diejenigen zur Verfügung gestellt, die alles verloren haben. Natürlich ist die Situation sehr kritisch, wir sind darauf vorbereitet, daß es zu zahlreichen Engpässen kommt. Unsere Landwirtschaft konzentriert sich jetzt auf schnellwachsende Früchte wie Süßkartoffeln, Mais, Maniok und Gurken. junge welt 19. September 2008 Interview: Peter Wolter

Veröffentlicht unter Die Fünf

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