Von Carla Palacios Klinger
Ana Belén Montes wurde am 28. Februar 1957 auf einem US-Militärstützpunkt in Deutschland geboren, wo ihr Vater, der Puertoricaner Alberto Montes, der US-Armee als Psychiater diente. Am 21. September 2001 (10 Tage nach dem Angriff auf die Zwillingstürme), wurde Ana Belén in den USA vom FBI verhaftet und der Verschwörung zur Spionage für Kuba bezichtigt. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete sie als ranghohe Analystin für den U.S. Militärgeheimdienst DIA.
Am 16. Oktober 2002 wurde Ana Belén Montes zu 25 Jahren Haft verurteilt und in das Hochsicherheitsgefängnis von Carswell in Fort Worth, Texas, USA überführt. Vor Gericht hatte sie sich der Spionage für schuldig bekannt. Reue aber zeigte sie nicht. Im Gegenteil: Ihre Aussagen zeugten von ihrem unablässigen Einsatz für ein harmonisches Zusammenleben aller Länder dieser „Globalen Nation“, deren Bewohner wir alle sind.
„Es gibt ein italienisches Sprichwort, das vielleicht am besten ausdrückt, wofür ich einstehe: Die ganze Welt ist ein einziges Land.
In dieser ‹globalen Nation› gilt das Prinzip, den Nächsten so zu lieben wie dich selbst, als wesentliche Richtschnur für harmonische Beziehungen zwischen allen unsern ‹Nachbarn›. Dieses Prinzip impliziert Toleranz und Verständnis für unterschiedliche Handlungsweisen. Es besagt, dass wir andere Nationen so behandeln sollten wie wir von ihnen gerne behandelt werden möchten, mit Respekt und Rücksicht. Es ist ein Prinzip, das wir gegenüber Kuba leider nie angewendet haben.“
Die Reaktionen darauf waren kontrovers: Machten die Aussagen von Ana Belén Montes sie für die einen zur Verräterin, zeichneten ihre Worte sie für andere als noble Heldin aus.
Was kann uns Miriam Montes Mock dazu sagen, die Cousine von Ana?
Die Publizistin und Schriftstellerin leitet den Arbeitskreis für Ana Belén Montes in Puerto Rico und stand in den vergangenen Jahren in ständigem, allerdings streng überwachtem Briefverkehr mit ihrer inhaftierten Verwandten. Zusammen mit Anas Mutter Emilia Badillo und unzähligen Unterstützern von Anas Sache hat sie es sich zur Pflicht gemacht, dass Ana Belén Montes nicht in Vergessenheit gerät.
Ana Belén bedeutet für mich natürlich in erster Linie die Cousine, mit welcher mich die Blutsbande und die Familiengeschichte verbinden. Ich hätte ihrer Schwester Lucy auf dieselbe Art und Weise geholfen, wenn es sie getroffen hätte. Im Laufe der Jahre habe ich aber über diese Bande hinaus Verständnis für die Beweggründe von Ana entwickelt. Deshalb hat mein Engagement für sie auch andere Bezüge. Ich weise zum Beispiel auf die historischen Bedingungen hin, in deren Zusammenhang Anas Handeln zu sehen ist. Ich denke dabei an die Interventionen und Staatsverbrechen, die von den verschiedenen US-Regierungen in Lateinamerika und der Karibik organisiert und begangen worden sind. Ich achte auch die Prinzipien, die sie dazu geführt haben, sich mit einem bedrängten Volk wie jenem von Kuba zu solidarisieren. Ich glaube, dass die Beweggründe von Ana aufrichtig waren und ihr Handeln eine tiefe Überzeugung und immensen Mut erforderte.
In den sechzehn Jahren ihrer Gefangenschaft haben Ana und ich uns häufig geschrieben. In unseren Briefen erzählen wir uns alles. Wir schreiben uns über unsere familiären und persönlichen Erlebnisse, aber auch über politische und literarische Belange. Ich fühle mich als Teil des Lebens von Ana; vielleicht geht es ihr ähnlich mit mir, das müsste sie sagen. Ich denke, dass ihre und meine Lebensgeschichte uns eng verbinden. Ana hat erklärt, dass ihre Aktionen von ihrem Gewissen diktiert worden wären. Ich für meinerseits kann nur wiederholen, was ich Ana vor einem guten Jahr geschrieben habe. „Hätte ich in deinem Fall weggeschaut, hätte ich nicht mit ruhigem Gewissen weiterleben können.“Rebelión: Wie lief der Prozess gegen Ana Belén Montes ab? Miriam Montes Mock: Ana Belén wurde am 21. September 2001 in ihrem Büro verhaftet. In einer Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft bekannte sie sich der Verschwörung zur Spionage für Kuba schuldig. Am 16. Oktober 2002 wurde sie zu 25 Jahren Gefängnis mit anschliessender fünfjähriger Bewährungszeit verurteilt. Vor Gericht erläuterte sie die Gründe, welche sie bewogen hatten, Kuba vor der aggressiven Politik der US-Regierung zu schützen. „Ich habe mich meiner Überzeugung mehr verpflichtet gefühlt als dem Gesetz“, erklärte sie. „Die Politik unserer Regierung gegenüber Kuba ist grausam und unfair, zutiefst unfreundlich… Deswegen habe ich mich moralisch in der Pflicht gesehen, der Insel zu helfen, sich gegen unser Bestreben zu verteidigen, ihr unsere Werte und unser politisches System aufzuzwingen.“ Sie sitzt nun seit fast 16 Jahren im Bundesgefängniskrankenhaus Carswell in Texas, unter strikten Sicherheitsbedingungen, die ihre Kommunikation mit der Aussenwelt stark einschränken.
Rebelión: Dass Ana Belén Kuba während Jahren mit Informationen versorgte, hat dazu geführt, dass unzählige Personen sich von ihr abgewendet haben, darunter ihre Brüder, die beim FBI arbeiten. Für andere wiederum macht sie diese Informationstätigkeit zur Heldin. Wie schätzen Sie die Folgen ein, die die übermittelten Informationen für die kubanische und US-amerikanische Seite hatten?
Miriam Montes Mock: Viele Menschen urteilen ohne genaue Kenntnisse. Tatsächlich wissen wir nicht, welche Informationen übermittelt wurden. Aber ich denke, dass die Aktionen von Ana Belén einen Akt der Solidarität darstellen, um der Politik der illegalen Einmischung und der Aggression von Seiten der USA Einhalt zu gebieten, und dass sie die unmoralische Handlungsweise blosstellen, die im Widerspruch zu den Prinzipien der guten Nachbarschaft stehen, von denen sich die USA angeblich leiten lassen. Ihre Tätigkeit, wie sie von Ana Belén am 16. Oktober vor Gericht selbst geschildert wurde, ist als Einladung zu verstehen, die Sicht auf die Paradigmen der Herrschaft zu schärfen, welche die Beziehungen zwischen den USA und Kuba während Jahren geprägt haben, und als Aufforderung, zwischen den beiden Völkern Beziehungen von Respekt und Freundschaft zu entwickeln.
Rebelión: Welcher Teil ihrer Biographie denken Sie hat bei Ana Belén diesen Gerechtigkeitssinn entwickelt, der sie dazu geführt hat, ihr Leben zu riskieren, um „dem Gewissen mehr zu gehorchen als dem Gesetz“?
Miriam Montes Mock: Schon in der Jugend habe ich bei Ana diese Fähigkeit verspürt, sich mit andern zu solidarisieren. Sie war eine herausragende Studentin, las viel über politische Themen und bewies eine analytische Haltung, wenn sie darüber diskutierte. Sie unternahm Reisen nach Europa, nach Lateinamerika und in die Karibik und ich denke, diese Reisen gaben ihr Gelegenheit, viel zu lernen. Ich kann nicht genau sagen, was sie am meisten beeinflusst hat bezüglich dieses Gerechtigkeitssinnes, vermutlich war es eine Mischung aus all dem.
Rebelión: Was war die schmerzlichste oder schwierigste Zeit für Sie als Angehörige von Ana in den bisherigen 15 Jahren ihrer Gefangenschaft?
Miriam Montes Mock: Für mich war es am schwierigsten, als ich die Nachricht von ihrer Krebserkrankung erhielt. Ich kann das Trauma nachempfinden, das so etwas bei jeder betroffenen Frau auslöst. Und dann erst noch im Kerker! Ohne die Unterstützung von Angehörigen, ohne die Möglichkeit von alternativen Behandlungen, von speziellen Diäten, ohne Selbsthilfegruppe und insbesondere ohne eine Atmosphäre der Zuneigung, der Liebe. Es ist schrecklich, unmenschlich. Jeder Mensch würde hier Mitleid empfinden und eine Entlassung aus dem Gefängnis aus humanitären Gründen fordern.
Rebelión: Was empfehlen Sie angesichts der Lage von Ana Belén Montes der Öffentlichkeit?
Miriam Montes Mock: Ana Belén verdient es, aus dem Gefängnis entlassen zu werden. Ihre Wegsperrung und das Schweigen, zu dem sie gezwungen wurde, sind grausam und unmenschlich. Ana Beléns Strafe ist ein Relikt des Kalten Krieges. Nach meiner Auffassung hat sie gehandelt, um Aktionen und politische Machenschaften der USA aufzuhalten, die gegen internationales Gesetz und die Sitten verstossen. Die Beziehungen zwischen den USA und Kuba haben sich geändert, ich denke, die ganze Welt war Zeuge der Aussagen des damaligen Präsidenten Obama vom 17. Dezember 2014. Heute ist offensichtlicher denn je, dass es keine Rechtfertigung dafür gibt, Ana weiterhin im Gefängnis zu behalten. Ihre Freilassung würde von der ganzen Welt als Geste des guten Willens verstanden und den Entscheid respektieren, die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern wieder zu beleben.
Aber vor allem sollte Ana Belén aus humanitären Gründen freigelassen werden. Sie ist eine Krebspatientin. Kein Mensch verdient es, einer unmenschliche Behandlung ausgesetzt zu sein, während er für sein Leben kämpft. Ich lade alle dazu ein, Ana Belén kennenzulernen und sich mit ihr zu solidarisieren. Die Stimmen der Unterstützung sind von entscheidender Bedeutung, damit sie weiss, sie ist weder allein noch vergessen.
(Quelle Text: rebelión.org.)