Einigung in Sicht

Havanna und Washington stehen offenbar kurz vor der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen, die die Vereinigten Staaten im Jahr 1961 abgebrochen hatten. Die vierte Gesprächsrunde darüber war in der US-Hauptstadt nach einer siebenstündigen Verhandlung am Donnerstag überraschend um einen Tag verlängert worden. Die Gespräche waren wie die bisherigen von der Generaldirektorin für die Vereinigten Staaten im kubanischen Außenministerium, Josefina Vidal Ferreiro, und der Abteilungsleiterin für Lateinamerika im US-Außenministerium, Roberta Jacobson, geleitet worden. Die Ergebnisse vom Freitag lagen bei Redaktionsschluss aufgrund der sechsstündigen Zeitverschiebung noch nicht vor.

Als Voraussetzung für die Einrichtung von Botschaften hatte die kubanische Seite gefordert, dass Kuba von der Liste der Staaten, die den Terrorismus unterstützen, gestrichen werde und das Land erneut normale Bankgeschäfte in den USA tätigen dürfe. Nachdem sie wegen der Blockadebestimmungen über ein Jahr lang keine Bankverbindung mehr in den USA einrichten konnte, durfte die Interessenvertretung Havannas nun Anfang der Woche ein Konto bei der Stonegate Bank in Florida eröffnen. Am Freitag nächster Woche wird Kuba zudem von der US-Terrorliste gestrichen, da die Republikaner die von Präsident Barack Obama getroffene Entscheidung dazu im Kongress nicht blockieren wollen. Damit sind die beiden Hauptforderungen Havannas erfüllt, und aus kubanischer Sicht steht der Eröffnung von Botschaften nichts mehr im Weg.

Dennoch gibt es in mehreren Punkten weiterhin gravierende Meinungsverschiedenheiten. So forderte US-Chefdiplomatin Jacobson, dass ihre Botschaftsmitarbeiter sich künftig leichter in allen Provinzen Kubas bewegen und dort Kontakte zu Gruppen von Systemgegnern unterhalten können. Bis jetzt brauchen US-Diplomaten für Reisen außerhalb der Hauptstadt eine Genehmigung. Havanna hatte diese Einschränkung eingeführt, weil die US-Regierung den kubanischen Vertretern den Aufenthalt außerhalb Washingtons nur unter scharfen Auflagen erlaubt. Josefina Vidal Ferreiro bestand dagegen darauf, dass das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen eingehalten werde. In dieser Charta sind alle Rechte und Pflichten von Botschaftsvertretern aufgezählt. Diplomaten sind danach verpflichtet, die Gesetze des Gastgeberlandes einzuhalten, und dürfen sich nicht in dessen innere Angelegenheiten einmischen.

Ein weiterer Streitpunkt ist die Ausbildung von Gegnern der kubanischen Verfassung, in der nach einer Volksabstimmung im Jahr 2002 das sozialistische Gesellschaftssystem als »unwiderruflich« verankert worden war, zu »unabhängigen Journalisten«. Die US-Interessenvertretung in Havanna bietet dazu im Rahmen des »Pro-Demokratie-Programms« ihrer Regierung offiziell Kurse an, deren Teilnehmer mit Spesen, Verpflegung und kleinen Geschenken (USB-Sticks) geködert werden. Raúl Castro hatte diese Praxis erst am Dienstag letzter Woche erneut als illegal kritisiert. Die Fortsetzung subversiver Aktionen zur Destabilisierung Kubas erschwere eine Normalisierung der Beziehung zwischen beiden Ländern, sagte Castro. Vertreter des kubanischen Außenministeriums haben in dieser Woche bei mehreren Gelegenheiten darauf hingewiesen, dass diese auch nach der Eröffnung von Botschaften noch nicht erreicht sein wird.

Die USA denken aber offenbar nicht daran, ihr Ziel eines Systemwechsels auf der sozialistischen Karibikinsel aufzugeben, wie am Donnerstag auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus deutlich wurde. Präsident Obama habe großes Interesse daran, Kuba und vor allem Havanna zu besuchen, antwortete der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, artig auf die Frage der Journalistin Indira Escobar aus Havanna. Dann fügte Earnest hinzu, dass Washington hoffe, bald »den Wechsel, den wir gern in Kuba sehen möchten«, zu erreichen.

junge welt

23. Mai 2015

Volker Hermsdorf



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