Der Preis der Blockade

Die seit 1962 bestehende ­Blockade Washingtons gegen Kuba schadet nach einem neuen Bericht des kubanischen Außenministeriums auch der US-Wirtschaft. Nach dem Report sind Folgen für die Bereiche Gesundheit, Tourismus und Landwirtschaft zu verzeichnen, aber auch für die Versorgung mit Nickel, Kobalt und Energie.

Das Außenamtspapier wird am 8. November von der UN-Vollversammlung diskutiert, die sich in diesem Jahr wie schon in den 15 Jahren zuvor mit der völkerrechtswidrigen Blockade befaßt. 1992 hatten nur 59 UNO-Staaten für deren Aufhebung votiert, im letzten Jahr waren es bereits 182. Kuba beziffert die Schäden auf mittlerweile 86,1 Milliarden US-Dollar, im letzten Jahr allein seien vier Milliarden Dollar hinzugekommen.

Die USA haben sich durch die Sperre von klinischen Versuchen für kubanische Medikamente von der Versorgung mit dem Medikament ­TheraCIM gegen Hirntumore bei Kindern abgeschnitten. Hergestellt wird das Präparat vom Zentrum für Molekulare Immunologie (CIM) in Havanna, das 2004 einen durch die Blockade risikoreichen Vertrag mit der US-amerikanischen Firma CancerVax � seit Januar mit Micromet zusammengeschlossen � über die Entwicklung und Produktion von Krebsmedikamenten unterzeichnet hat. In Kuba und einigen anderen Staaten ist TheraCIM bereits auf dem Markt. Auch andere Medikamente aus kubanischer Forschung und Herstellung bleiben den USA vorenthalten.

Zu leiden hat schließlich auch der Tourismus: Im letzten Jahr hätten sich 1,8 Millionen US-amerikanische Touristen auf der Karibikinsel erholen können, wenn das denn erlaubt wäre. Den Veranstaltern ist dank des Verbots ein potentielles Einkommen von 996 Millionen Dollar durch die Lappen gegangen.

Günstiger als bislang könnten die USA auch an Nickel und Kobalt kommen. Zur Zeit werden diese Metalle in der Größenordnung von 148000 respektive 10000 Tonnen von relativ weit entfernt liegenden Märkten importiert. Gäbe es die Blockade nicht, läge die Lieferentfernung bei rund 200 Kilometern.

Derzeit produziert Kuba jährlich etwa 77000 Tonnen Nickel. Im März 2005 erst wurde mit Kanada ein Abkommen über Ausbau und Modernisierung der Produktion geschlossen. Kuba verfügt über nachgewiesene Nickelreserven von 800 Millionen Tonnen und 26 Prozent der globalen Kobaltvorkommen.

Wie im Bergbau dürfen sich US-amerikanische Investoren auch nicht an der Öl-Förderung im kubanischen Teil des Golfs von Mexiko beteiligen. Nur 137 Kilometer von der Küste Floridas entfernt vermuten Experten bis zu 9,3 Milliarden Barrel Erdöl und bis zu 623 Milliarden Kubikmeter Erdgas.

Immerhin eine Milliarde Dollar haben US-amerikanische Nahrungsmittelproduzenten an Kuba zwischen Ende 2001 und 2004 verdient. Sie profitieren von einer 2000 vom US-Kongreß akzeptierten Ausnahmeregelung für den Handel mit Kuba. 2005 hatte die Karibikinsel zwischen 700 und 800 Millionen Dollar für Nahrungsmittelankäufe in den USA zur Seite gelegt. Die von Washington erneut verschärften Restriktionen haben jedoch dazu geführt, daß dieser Handel wieder auf 474 Millionen Dollar einbrach. »Etwa 300 Millionen Dollar sind den US-amerikanischen Exporteuren verloren gegangen. Kuba hat sie in anderen Staaten ausgegeben«, heißt es in dem Bericht. Experten gehen davon aus, daß der Handel zwischen Kuba und den USA nach einer Abschaffung der Blockade binnen fünf Jahren einen Wert von 20 Milliarden Dollar erreichen könnte.

Junge Welt, 12. Oktober 2006
Patricia Grogg (IPS), Havanna

Veröffentlicht unter Blockade

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